„Ein Chinese ist ein Drache, zwei Chinesen sind ein Wurm“

Yang Yuanqing, Chefmanager der chinesischen Firma Lenovo, ist der Ansicht, dass die kulturellen Traditionen eines Landes bei der Führung eines Konzerns keine Rolle spielen

taz: Mit dem Kauf der PC-Sparte von IBM ist Lenovo zum drittgrößten Computerhersteller der Welt aufgestiegen. Beruht Ihr Erfolg auf chinesischen Eigenschaften?

Yang Yuanqing: Wir haben viel von ausländischen Firmen gelernt. Am Anfang wussten wir nicht einmal, was Marketing bedeutet. Auch mussten wir vom Ausland lernen, wie man ein komplettes Managementsystem aufbaut. Letztlich erklärt sich der Erfolg von Lenovo damit, dass wir uns der Branche gut angepasst haben.

Flexibilität gilt als Stärke chinesischer Manager, Fleiß als Stärke chinesischer Arbeiter. Spielt das bei Lenovo keine Rolle?

All diese Charakteristika sind bei unseren Angestellten vorhanden. Unsere Leute sind nicht nur bereit, sich Veränderungen schnell anzupassen, mehr noch: Sie lieben Veränderungen. Aber das ist nicht das Wichtigste. Der wichtigste Grund für unser Fortkommen liegt in der Einführung einer Managementstruktur, die total anders ist als in den meisten chinesischen Staatsunternehmen, wo Überbesetzung, Ineffizienz, Klüngel und sogar Korruption herrschen. Lenovo hingegen ist eine marktorientierte Firma.

Das klingt, als würden Sie Ihr chinesisches Erbe nicht sehr hoch schätzen.

Die kulturelle Tradition eines Landes spielt bei der Verwaltung eines Unternehmens keine wichtige Rolle. Das Unternehmensmanagement hat seine eigenen Regeln, die man einhalten muss. Zumal die chinesische Tradition auch negative Seiten hat. Es heißt: Ein Chinese ist ein Drachen, zwei Chinesen sind ein Wurm. Teamwork unter Chinesen ist normalerweise schwierig. In einem großen Unternehmen aber muss jede Abteilung mit der anderen zusammenarbeiten. Deshalb ist gerade in China effizientes Management so wichtig.

Gehören niedrige Löhne zu den chinesischen Traditionen, die Sie schätzen?

Lenovo ist kein chinesisches Unternehmen mehr, sondern ein multinationales. Wir werden in jedem Land, wo wir Arbeitskräfte anstellen, das lokale Lohn- und Sozialversorgungsniveau respektieren. Wir werden nicht versuchen, die Löhne unserer Angestellten in Europa zu senken, um sie dem Lohnstandard in China anzupassen. Dann würde niemand mehr bei Lenovo arbeiten. Allerdings werden wir auch nicht versuchen, die Löhne unserer chinesischen Angestellten auf westliches Niveau zu erhöhen. Das sind Grundregeln, die alle globalen Unternehmen unbedingt einhalten müssen.

Der Westen fürchtet, dass internationale Großkonzerne nach der Produktion auch immer mehr Forschung und Entwicklung nach China verlegen werden. Wird Lenovo hier den Vorreiter spielen?

Design und Qualität unserer Produkte sind schon Weltklasse. In Zukunft kommt es deshalb auf die Innovation an. Innovation kann teuer oder effizient sein. Unsere Innovation wird effizient sein. Das bedeutet, dass wir unsere zwei Forschungs- und Entwicklungszentren in Amerika und Japan behalten werden. Aber wir werden sicher mehr in unser Forschung- und Entwicklungszentrum in China investieren, um die Effizienz zu sichern.

Wie wollen Sie Europäer davon überzeugen, von nun an chinesische Computer zu kaufen?

Nochmals: Lenovo ist keine chinesische Computermarke, sondern eine internationale. Vielleicht nur „Made in China“, aber das sind andere Marken auch. Es gibt keinen Unterschied.

Gibt es bei den sozialen und politischen Wertvorstellungen, die Lenovo transportiert, keinen Unterschied?

In der Firma redet man nur über Geschäfte. Politik und Kommerz kann man voneinander trennen. In einer Firmenleitung, etwa bei IBM, haben die Leute unterschiedliche politische und religiöse Auffassungen. Es gibt Republikaner, islamische Glaubensanhänger und Christen. Diesem Prinzip werden wir auch folgen.

Wo stehen Sie politisch?

Darüber möchte ich hier nicht reden. Mein größter Wunsch ist, ein guter Unternehmer zu werden und Lenovo zu einem erfolgreichen globalen Computerunternehmen aufzubauen.

Was halten Sie von der konfuzianischen Philosophie?

In der konfuzianischen Philosophie gibt es den Begriff des Mittelweges. Viele halten ihn für konservativ. Aber bei der Unternehmensführung ist der Mittelweg oft der richtige.

Ein guter Manager ist, wer die Theorie des Mittelweges perfekt umsetzt. Das gilt zum Beispiel für die Bemessung des Leistungskriteriums im Unternehmen. Ob Belohnung oder Bestrafung, alles wird daran gemessen. Doch wer als Manager einen Angestellten wegen schlechter Leistung bestraft oder gar entlässt, wirkt unmenschlich und verstößt gegen das Prinzip, dass sich im Unternehmen alles um den Menschen dreht. Der Mittelweg ist hier immer die beste Lösung.

Wo liegt Ihr nächstes Unternehmensziel?

Vor zehn Jahren war Lenovo nur eine Handelsfirma. Als ich damals, 1994, CEO der Firma wurde, steckten wir uns das Ziel, die Nummer eins in China und dann in Asien zu werden. 2000 erreichten wir das Ziel. Dann bemühten wir uns, Lenovo zu einem multinationalen Unternehmen auszubauen, was uns zur Übernahme der PC-Sparte von IBM führte. Heute lautet das Ziel, die Nummer eins der Welt zu werden. INTERVIEW: GEORG BLUME