Dudelsack und Konfusion

Während die Proteste in Edinburgh ruhig blieben, kam es bei Gleneagles zu Ausschreitungen und Dutzenden Festnahmen

AUS EDINBURGH und GLENEAGLES RALF SOTSCHECK und FELIX LEE

Die meisten Ladenbesitzer hatten ihre Schaufenster vorsichtshalber mit Holzplatten gesichert. Doch die Demonstration in Edinburghs Einkaufsstraße, der Princes Street, anlässlich des G-8-Gipfels verlief gestern Nachmittag friedlich. Es waren auch nicht eine Million Menschen gekommen, wie der Organisator der Live-8-Konzerte, Bob Geldof, gehofft hatte, sondern höchstens tausend. Die konnten sich am Ende der Straße nicht einigen, ob sie weitergehen oder die Princes Street wieder zurücklaufen sollten. So blieben sie vor der Kirche St. John stehen und sangen „We all live in a terrorist regime“ zur Melodie des Beatles-Hits „Yellow Submarine“.

Rund um Gleneagles, den Hotelkomplex nordwestlich von Edinburgh, wo seit gestern Abend die Staatschefs der sieben reichsten Industrieländer sowie Russlands tagen, ging es nicht ganz so friedlich zu. In Sterling kam es in der Nacht zu gestern zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, bei denen mindestens neun Polizisten verletzt wurden. Mehrere hundert Aktivisten zogen sich in die umliegenden Hügel zurück, um am Morgen die Zufahrtsstraße nach Gleneagles zu blockieren. Die Polizei war darauf jedoch vorbereitet, sodass die Straße nach kurzer Zeit wieder frei war.

Als Folge dieser Auseinandersetzung kam es gestern im Laufe des Tages zu Konfusion, als die in der Nähe von Gleneagles genehmigte Demonstration nach ersten Ausschreitungen kurzfristig abgesagt wurde. Später wurde sie jedoch wieder genehmigt, weil Polizei und Politiker weitere Ausschreitungen von frustrierten Demonstranten befürchteten. Angeführt von einem schottischen Dudelsackbläser, setzte sich der Protestmarsch in Bewegung. In der Nähe von Stirling warfen gewaltbereite Demonstranten Steine und beschädigten parkende Autos. Bis zum frühen Abend gab es bereits 60 Festnahmen.

Offiziell begann der G-8-Gipfel am Abend mit einem Festbankett, zu dem Königin Elisabeth und ihr Mann Prinz Philip geladen hatten. „Während dieses Banketts sterben 5.000 Kinder in Afrika an Armut“, sagte der Sprecher der Wohltätigkeitsorganisation Oxfam, Brendan Cox. „Wir missgönnen den politischen Führern das Essen ja nicht, aber wir und Millionen andere stellen hohe Erwartungen an die Ergebnisse dieses Gipfels.“

Der britische Schatzkanzler Gordon Brown versuchte dagegen, die Erwartungen zu dämpfen. Die Leute von der Koalition „Make Poverty History“ werden vielleicht enttäuscht sein, wenn die acht Regierungschefs am Freitag ihr Hilfspaket für Afrika vorstellen, sagte er. „Was wir sagen, ist eine Sache“, meinte Brown. „Wozu wir den Rest der Welt überreden können, ist das, was am Ende in Gleneagles herauskommen wird. Es macht mich wütend, denn es gibt keine wissenschaftlichen, technologischen oder medizinischen Gründe dafür, dass wir nicht gegen die Armut vorgehen können. Es ist der fehlende politische Wille.“

Heute steht jedoch zunächst die Klimaveränderung und erst morgen Afrika auf der Tagesordnung. Zwar ist der Schuldenerlass für 18 der ärmsten Länder unter Dach und Fach, aber über die Verdopplung der Hilfsgelder im Laufe der nächsten zehn Jahre herrscht keine Einigkeit. Und die Aufhebung der Exportsubventionen in den Industrieländern, die den afrikanischen Produzenten eine bessere Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt sichern soll, wird am Veto der USA scheitern.