Wenn weiße Bändchen übrig bleiben

Aus „gerechtem“ wird „freier Handel“ – die Kampagne „Make Poverty History“ fällt durch große Nähe zur britischen Regierung auf

EDINBURGH taz ■ Die Koalition „Make Poverty History“ (MPH), die aus mehr als 460 NGOs besteht, hatte ursprünglich radikale Forderungen aufgestellt. Man setzte sich für „gerechten Handel, nicht freien Handel“ ein. Die Verdopplung der Entwicklungshilfe für Afrika stand ebenso auf dem Programm wie die Streichung aller Schulden der ärmeren Länder. MPH verlangte die Kontrolle multinationaler Konzerne sowie die Demokratisierung von IWF und Weltbank.

Viel davon – nicht alles – wurde von der britischen Regierung vereinnahmt und geriet zur Regierungsposition. „Als diese ursprünglich radikalen Forderungen der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, unterschieden sie sich plötzlich kaum noch von denen der britischen Regierung“, sagt Stuart Hodkinson von der linksradikalen britischen Zeitschrift Red Pepper. Dadurch sei Blair bei den Wortführern von MPH zum Retter Afrikas geworden.

Die Verquickung von Regierung und NGOs ist bei den britischen Afrika-Kampagnen extrem – etwa bei Oxfam, der größten britischen Hilfsorganisation. Blairs Sonderberater Justin Forsyth war früher Oxfam-Manager. Shriti Vadera vom Oxfam-Vorstand hatte als Direktor der US-Bank Warburg vor allem staatliche Projekte mit Privatinvestoren gefördert, heute arbeitet er für Finanzminister Gordon Brown. John Clark ging 1992 von Oxfam zur Weltbank und berät sein 2000 Blair bei seiner „Africa Partnership Initiative“. Sarah Kline arbeitete früher auch in der Weltbank und setzt sich heute im Namen von Oxfam für den „konstruktiven Dialog mit IWF und Weltbank“ ein. Oxfam wird jährlich mit 40 Millionen Pfund von der britischen Regierung unterstützt.

Data, eine vom U2-Sänger Bono sowie den Milliardären George Soros und Bill Gates gegründete Hilfsorganisation, gehört ebenfalls MPH an. Hinter den Kulissen von MPH zieht Regisseur Richard Curtis („Mr. Bean“, „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“) die Fäden. Er hatte vor Jahren „Comic Relief“ gegründet, eine Hilfsaktion von Komödianten, die Spendengelder einsammelte. In der begleitenden Fernsehshow wurde Afrika als Kontinent der Naturkatastrophen und kriegerischen Stämme gezeigt. Wie bei „Comic Relief“ so hat Curtis, ein enger Freund Browns, bei MPH die Devise formuliert, dass die britische Regierung nicht kritisiert werden darf.

Curtis hat den Magnaten Tom Hunter dazu gebracht, eine Million Pfund an MPH zu spenden. Dafür verkaufte Hunter limitierte Auflagen der weißen Armbänder, des Symbols von MPH, mit den Logos von sechs Designerlabels, darunter Tommy Hilfiger, dessen Kleidung in gewerkschaftsfreien Sweatshops in Lateinamerika und Ostasien hergestellt wird.

Über Curtis kam auch die Werbeagentur Abbot Mead Vickers zu MPH. Die Agentur wollte ein Poster produzieren, auf dem Gandhi, Mandela und Brown abgebildet sind. MPH-Aktivisten verhinderten in letzter Sekunde, dass zwei Männer, die gegen den Kolonialismus gekämpft haben, zusammen mit dem britischen Finanzminister gezeigt werden, der Afrika zur Freihandelszone machen will. Zur Kundschaft der Agentur gehören unter anderem Pepsi, Pfizer, die Zeitschrift Economist und der Guinness-Hersteller Diageo, dem das Gleneagles-Hotel gehört, in dem der G-8-Gipfel stattfindet.

„Make Poverty History“ ist eine europaweit geschützte Marke. Darüber hinaus hat sich MPH eine Lizenz für den Verkauf ihrer Waren in Edinburgh gesichert. Wer den Slogan missbraucht oder einen unliebsamen Stand aufbaut, wird von der Polizei verjagt. Die Anti-Irakkriegs-Koalition „Stop The War“ wurde nach Einspruch von Curtis und Oxfam nicht bei MPH aufgenommen, weil es in Edinburgh nicht um Krieg gehe, sondern um „ökonomische Gerechtigkeit und Entwicklung“.

Am liebsten wäre es MPH, wenn alle lediglich die weißen Armbänder trügen, die in China hergestellt wurden, glaubt Hodkinson. Auch Blair trägt ein Band. Und so schrieben Kay Summer und Adam Jones im Guardian: „Dieser choreografierte Schachzug und Browns bescheidenes Schuldenerlassprogramm, das an strikte Bedingungen gebunden ist, verschleiern die Tatsache, dass die Politik der G 8 der Kern des Problems in Afrika ist.“ RALF SOTSCHECK