Frauenfußball in Israel: „Das ist halt ein Projekt“
Die erfahrenste Spielerin in Israels Nationalelf ist die Kölnerin Sharon Beck. In der WM-Qualifikation spielt sie gegen Deutschland.
Die eine ist in der Nähe von Krefeld geboren und kickt für Israel. Die andere ist in Bad Segeberg geboren und kickt für die Schweiz. Beim 1. FC Köln sind beide unter Vertrag, Sharon Beck und Rachel Rinast. Beide sind Jüdinnen, beide sind Profifußballerinnen und beide sind mit dem Frauenfußball in Israel verbunden.
Sharon Beck wird am Donnerstagabend im israelischen Petach Tikwa in der WM-Qualifikation gegen die DFB-Elf antreten. Die Deutschen gehen als Favoritinnen ins Spiel, es spielt schließlich Nummer 71 gegen Nummer 3 der Weltrangliste. Aber Sharon Beck ist im israelischen Team der Star. Nicht nur, dass sie in der Bundesliga spielt, auch in der DFB-Elf war sie schon, genauer: in der U16 und U17. Weil sie von der früheren Auswahltrainerin Steffi Jones nur eingeladen, aber nicht aufgestellt wurde, entschied sie sich 2019 für Israel. Ihr Vater ist Israeli, ihre Mutter Christin; nach israelischen Gesetzen genügt das für die Staatsbürgerschaft. Damit sich auch halachisch Jüdin wird, konvertierte sie.
Rachel Rinast wird sich das Spiel der DFB-Elf gegen die israelische Auswahl vermutlich am Fernseher anschauen. Als sie in der Bundesliga beim SC Freiburg unzufrieden war, ging sie 2018 nach Israel, zum ASA Tel-Aviv FC. Das ist zwar ein Spitzenklub im dortigen Frauenfußball, aber so professionell, wie es die Bundesliga mittlerweile ist, wird dort nicht gearbeitet. Rinast, die auch ein Jobangebot im Rheinland bekam, kehrte bald zurück zum 1. FC Köln. Im Jahr 2015 wurde sie Nationalspielerin, und zwar in der Schweiz. Geholt von Martina Voss-Tecklenburg, damalige Schweizer, heutige deutsche Nationaltrainerin.
Schaut man sich die jüngsten Ergebnisse der israelischen Auswahl an, könnte man sie für einen leichten Gegner halten: 0:12 gegen Italien verloren, 0:4 gegen Portugal, sogar gegen Malta 0:2. „Die Ergebnisse waren natürlich negativ, aber wir haben auch einmal nur knapp 2:3 gegen Italien gespielt“, sagt Sharon Beck. Sie selbst stand bei den Schlappen gegen Italien und Malta auch nicht auf dem Platz. „Gegen Malta gab es einmal ein 1:1, das wir eigentlich hätten gewinnen müssen, weil wir überlegen waren“, ergänzt sie.
Sharon Beck
Von den aktuellen Spielerinnen kickt außer Sharon Beck keine in einer der starken Ligen. Aber auch das will sie nicht als Hinweis auf eine Schwäche des israelischen Fußballs verstanden wissen. „Früher kamen alle Spielerinnen aus israelischen Vereinen“, erklärt sie. „In der aktuellen Auswahl kicken acht im Ausland. Zwar teils nur französische oder spanische zweite Liga, aber doch mit internationaler Erfahrung.“ Der israelische Frauenfußball, sagt Beck, „ist ein Projekt“. Er entwickelt sich noch. Zuletzt habe es zudem auch Probleme mit dem Trainerteam gegeben, aber jetzt steht mit dem Argentinier Gabriel Burstein ein Profi in der Coachingzone.
Nur 3.000 Spielerinnen gibt es in Israel
Überhaupt, ein so schlechtes Standing, wie es nach den jüngsten Ergebnissen scheinen könnte, hat der Frauenfußball in Israel nicht. Es gibt ihn offiziell seit 1970, also etwa so lang wie in Deutschland. Ein Nationalteam gibt es seit 1997, aber schon 1977 gab es ein noch nicht registriertes Länderspiel gegen die Niederlande. Das hatte der Zusammenschluss der Vereine organisiert.
„Die Spielerinnen arbeiten alle nebenher, da kann man nicht, wie in Deutschland, sieben- bis achtmal pro Woche trainieren“, sagt Beck, und ergänzt, dass es in ganz Israel nur etwa 3.000 aktive Spielerinnen gibt. „Das ist auch relativ zu Deutschland betrachtet sehr wenig.“
Der israelische Fußballverband hat sich in der jüngsten Zeit sehr engagiert, um Frauen- und vor allem Mädchenfußball populärer zu machen. „Wir gehen in Schulen, wir verteilen Freikarten an Jugendliche und an Familien. Da entwickelt sich etwas“, sagt Beck.
Seit zehn Jahren spielt die heute 26-jährige Sharon Beck in der Bundesliga. Stationen wie Leverkusen, Hoffenheim, Freiburg und der 1. FC Köln gehören dazu. Kann sie sich vorstellen, wie Rachel Rinast auch einmal in der israelischen Liga zu spielen? „Ja“, sagt sie, „ich hatte Rachel ja damals den Tipp gegeben und die Kontakte hergestellt“. Warum nicht die Karriere in dem Land, das sie mag, ausklingen lassen?
Danach kann sie sich vorstellen, im israelischen Fußball zu bleiben. „Ich wäre gerne hier Managerin oder Trainerin.“
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