Draußen und drinnen in Edinburgh
: KOMMENTAR VON MICHAEL BRAUN

Nicht einmal vier Jahre sind seit dem G-8-Gipfel von Genua vergangen – und doch liegen Welten zwischen Genua 2001 und Edinburgh 2005. Genua war der frontale Zusammenprall mit einem Toten und hunderten von Verletzten. Auf der einen Seite standen die mächtigsten Politiker der Welt, verschanzt in der „roten Zone“, beschützt von schwer bewaffneten Polizisten. Auf der anderen Seite lief eine mächtige Protestbewegung auf, die den acht Großen das Recht absprach, exklusiv die Weltprobleme zu verhandeln. „Ihr: 8 – wir: 6 Milliarden“, dieser Slogan brachte den Gipfelprotest auf den Punkt.

In Edinburgh sind die Teilnehmer fast die gleichen wie damals: Bush, Putin, Schröder, Blair, Chirac und Co. auf der einen Seite, bunte Scharen von Protestierern auf der anderen, und auch ein paar Militante fehlen nicht. Doch der Wille zur Totalkonfrontation ist weitgehend verflogen. Diese kräftige Akzentverschiebung liegt nicht daran, dass die Protestierer plötzlich zu unkritischen Blair-Fans mutiert wären. Dennoch: Mit seiner Afrika-Initiative hat der Brite dafür gesorgt, dass das Anliegen vieler von draußen jetzt auf dem Tisch drinnen liegt.

Dabei verlassen sich die Protestierer in Schottland keineswegs darauf, dass der G-8-Gipfel ein segensreiches Programm für Afrika beschließt. Aber sie haben den Wandel in der Gipfel-Agenda bemerkt: In Genua kam Afrika nur am Rande vor, als die Reichen ganz nebenbei ein peinlich dünn dotiertes Anti-Aids-Programm versprachen. In Edinburgh steht der Kontinent dagegen ganz oben auf der Liste mit den harten Fragen nach Schulden, Hilfen und Handelshemmnissen, die auch die Globalisierungskritiker aufwerfen. Und sie schaffen es, den Reichen das Thema nicht zur Behandlung auf ihre Weise zu überlassen.

„Acht Männer in einem Raum können die Welt verändern“, hieß es nun bei den Live-8-Konzerten in Vorfeld des G-8-Gipfels. Nicht ob die acht zu ihrem Spitzentreffen legitimiert sind, sondern wozu sie es nutzen: Diese Frage steht jetzt im Mittelpunkt. Und wenn sich die Verhältnisse durch Gipfelbeschlüsse nicht ändern, könnten auch die Verhältnisse von Genua wiederkommen. Einschließlich der zutreffenden Parolen.