CALLCENTER-OPTION
: Nicht so ergiebig

Ich fragte nach dem Stundenlohn

Es war eine nächtliche Schnapsidee. In einem Job-Newsletter las ich von einem Telefonjob für Nachtschichten. Es stand kein Stundenlohn dabei, aber es wurde mit einem 25-prozentigen Nachtzuschlag gewunken und dem Versprechen: „Langeweile gibt es bei uns wirklich selten.“ Warum nicht zwei, drei Nächte in der Woche an fremden Telefonen hängen und Geld dafür bekommen? Es ging um „Kundenkontaktmanagement“ und „virtuelle Vorzimmer“ für Unternehmer ohne eigenes Büro. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr.

Ein Stundenlohn war nicht angegeben. Dafür verspricht das Unternehmen das Blaue vom Himmel: „Gute Stimmung und eine menschliche Atmosphäre, genügend Pausen, viel Licht und Pflanzen, frisches Obst für alle sind bei uns Standard.“ Geburtstags-, Sommer-und Weihnachtsfeste „haben ihre festen Plätze im Kalender“. Und: „Wenn Sie bei uns anrufen, werden Sie nicht die Callcenter-typischen, gelangweilten Stimmen hören, die ein und denselben Satz zum 100. Mal an diesem Tag runterleiern.“ Menschlichkeit, Licht, Pflanzen, frisches Obst – in wenigen Minuten hatte ich die Onlinebewerbung ausgefüllt.

Schon am nächsten Tag rief eine Mitarbeiterin an. Und was soll ich sagen? Sie hatte exakt eine dieser Callcenter-typischen Stimmen, die ein- und denselben Satz 100-mal am Tag herunterleiern. Ich fragte nach dem Stundenlohn. „Je nach Einarbeitungsstufe“, flötete sie in den Hörer. „Anfangs bekommen Sie weniger, weil Sie ja noch nicht so ergiebig für die Firma sind.“ Diese Offenheit fand ich frappierend. „Am Anfang“, fuhr sie fort, „erschrecken Sie jetzt nicht, gibt es zwischen 6,80 und 9 Euro die Stunde“. Bevor sie mir frisches Obst auftischen konnte, unterbrach ich sie. „Dann brauchen wir gar nicht weiterzureden“, erwiderte ich und beendet das Telefonat ganz unmenschlich.

BARBARA BOLLWAHN