„Bei der SPD habe ich keine Fliege getragen“

Interview mit dem Gesundheitsexperten, Regierungsberater und frisch gewählten Kölner SPD-Bundestagskandidaten Karl Lauterbach über seinen Start als Berufspolitiker und die Chancen der Sozialdemokraten im kommenden Herbst

taz: Herr Lauterbach, Sie haben eine Kampfabstimmung um die SPD-Bundestagskandidatur im Wahlkreis Köln-Mülheim gewonnen. Wie haben Sie die Genossen denn überzeugt?Karl Lauterbach: Ich hoffe, ich habe die Delegierten durch meine Argumente überzeugt. Ich habe ganz offen vorgetragen, wofür ich stehe: Es gibt in diesem Land große Defizite beim Thema soziale Gerechtigkeit. Das gängige Argument, Sozialstaatlichkeit und Vollbeschäftigung seien nicht vereinbar, stimmt einfach nicht. Skandinavische Länder haben das gezeigt.

Bei der SPD-Basis kommen Ihre Konzepte beispielsweise zur Bürgerversicherung an. Aber lassen sich mit Ihren linken Ideen auch Wählermehrheiten gewinnen?Beim Thema Bürgerversicherung haben wir sicherlich die Wählermehrheit auf unserer Seite. Es ist doch nicht nachvollziehbar, dass Politiker, Beamte und Selbstständige derzeit keinen Beitrag zur sozialen Krankenversicherung leisten. Wir haben bislang eine total einseitige Finanzierung über Löhne und Gehälter. Das ist sozial ungerecht. Ich glaube, dies kann man im Wahlkampf jedem gut erklären, nicht nur linken Wählern.

Hatte die SPD nicht Vorbehalte, mit einem Professor in den Wahlkampf zu ziehen?Ich habe bislang keinerlei Vorbehalte gespürt. Das wird immer behauptet mit der angeblichen Akademiker-Feindlichkeit der SPD. Das stimmt aber nicht. Es gibt ja auch in der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion einige Wissenschaftler. Ich denke, wenn man ohne Arroganz und Hochschullehrerattitüde auftritt, gibt es da überhaupt keine Probleme.

Tragen Sie denn auf SPD-Veranstaltungen auch Ihr Markenzeichen, die Fliege?Die Fliege trage ich nur bei beruflichen und offiziellen Anlässen. Sonst ziehe ich ein offenes Hemd oder ein T-Shirt an.

Und bei Ihrer Wahl am vergangenen Montag. Mit oder ohne Fliege?Bei der SPD-Versammlung in Köln habe ich keine Fliege getragen, nein.

Wie lang sind Sie denn schon in der SPD? Haben Sie politische Vorbilder?SPD-Mitglied bin ich seit Anfang 2001. Vorbilder habe ich eine ganze Menge. Mich beeindrucken Menschen, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Ein Vorbild ist der amerikanische Sozialphilosoph John Rawls, bei dem ich auch studiert habe. Rawls, der leider vor zwei Jahren starb, hat sich mit dem Problem der Chancengerechtigkeit beschäftigt. In der SPD war Willy Brandt nach wie vor die beeindruckendste Persönlichkeit.

Falls Sie Ihren Kölner Wahlkreis gewinnen und in den Bundestag einziehen: Geben Sie dann den Professorenjob und die Beratertätigkeiten auf?Meine wissenschaftliche Arbeit würde ich ungern aufgeben. Aber als Berater könnte ich nicht mehr tätig sein, wenn ich im Bundestag bin. Dann wäre ich ja Berufspolitiker.

Werden Sie beim morgigen SPD-Landesparteitag auf der NRW-Reserveliste der SPD abgesichert? Können Sie sich einen Ministerjob vorstellen, falls die SPD doch noch gewinnt?Das mit der Liste entzieht sich momentan meiner Kenntnis. Aber ich will meinen Wahlkreis sowieso direkt gewinnen. Dieser Kölner Wahlkreis ist gewinnbar. Wenn der für die SPD verloren ginge, wäre das ein sehr sehr trauriges Ergebnis. Über Ämter und Posten habe ich nicht nachgedacht. Erstmal wollen wir die Wahl gewinnen.

INTERVIEW: MARTIN TEIGELER