berliner szenen Parallelgesellschaft

Auf die Socken gepisst

Über die hellgrünen Holzdielen hoppelt ein schwarzes Kaninchen. In unregelmäßigen Abständen lässt es kleine ebenso schwarze Kügelchen unter sich, die in den Fugen festkleben. „Ich glaube, es hat mir auf die Socken gepisst!“, sagt die Hausherrin, en français, zur Begrüßung. Diese Privatfete unter Kunststudenten, fast ohne deutsche Beteiligung, erinnert an einen internationalen Jugendaustausch, nur sind die Betreuer jetzt definitiv weg.

Um das Gespräch anzukurbeln, müssen wir uns also ganz allein durchschlagen. So versuchen wir herauszufinden, wer das beste Kaninchenrezept kennt. Die Franzosen gewinnen natürlich.

Zwischen Bierkästen und Kühlschrank gerate ich in eine politische Diskussion: Ein französischer, pardon, baskischer Kommunist erklärt mir, warum er beim EU-Referendum mit Ja gestimmt hat: „Weil das Nein in Frankreich zu tendenziös war, da kann ich nicht mitmachen.“ Die Schweizer wollen davon nichts wissen und der Engländer ist mit der Produktion von „Queen-Mum-Gedächtnis-Gin-Tonics“ vollauf beschäftigt.

Da sich die Leute in der Küche drängeln, werde ich weiter in die hinteren Räume gespült, wo man die Völkerverständigung mit anderen, teilweise zweifelhaften Mitteln vorantreibt: japanischen Videospielen, die bei mir schon vom Zugucken paranoide Schübe auslösen oder – harmloser, aber auch langweiliger – einfachem Zimmerbesichtigen mit Analyse der Platten- und Büchersammlung. Als auch dieses Thema erschöpfend behandelt ist, redet man halt über die Uni: „An welchem Institut studierste denn?“ – „Ich bin Freischaffender.“ – „Ach so.“ Schweigen. „Und was machste in Berlin?“ – „Weiß ich selbst nicht.“ – „Gut, ich muss weg.“

LUC CAREGARI