DEBATTE UM MEHRWERTSTEUER: DIE UNION ZEIGT IHRE LÜCKEN
: Überschriften reichen nicht

Was nur hat die Union in den vergangenen sieben Jahren programmatisch getrieben? Dass ein Wahltermin im September dieses Jahres die Partei überraschte – einverstanden. Aber auch bis Herbst 2006 wäre all das, was nun im Zuge der hastigen Erarbeitung eines Sofortprogramms durch den Äther geistert, kaum auf einen Nenner zu bringen gewesen. Steuerreform, Reform der Sozialsysteme, Reform des Gesundheitswesens: Außer Überschriften können CDU/CSU wenig vorlegen, meist fehlt das Kapitel „Finanzierung“. Kein Wunder, dass nun viele verhinderte Reformer an der Mehrwertsteuerschraube mitdrehen.

Das hat in der Union ohnehin Tradition: Viermal hat die Regierung Kohl die Mehrwertsteuer angehoben, seitdem ist sie unverändert. Dabei wissen wir seit der Teuro-Debatte, dass jene Deutschen, die nicht jeden Cent zweimal umdrehen müssen, nach einem Jahr Gegrummel klaglos drei Euro für einen Cappuccino zahlen, der zuvor drei Mark kostete. 2 Prozentpunkte Steuererhöhung würden im Gesamtpreis kaum wahrnehmbar aufgehen, auch wenn sich der Einzelhandel begreiflicherweise gegen diese Helfershelferrolle sträubt.

Dass eine höhere Mehrwertsteuer besonders Menschen mit niederem Einkommen trifft, muss nicht sein: Senkt man den ermäßigten Satz wie zuletzt vom SPD-Finanzexperten Stegner vorgeschlagen auf 5 Prozent, erweitert hierbei noch die Tatbestände und führt im EU-Einvernehmen einen dritten Satz von 25 Prozent auf Güter mit Luxuscharakter oder ökologisch fragwürdige Dienstleistungen und Waren ein, dann wird die Mehrwertsteuer von einem bloßen Bund- und Länder-Sanierungsmechanismus zu einem standortneutralen, intelligenten Steuerungsinstrument einer öko-sozialen Marktwirtschaft. Die höhere Mehrwertsteuer muss freilich nachvollziehbar in vollem Umfang zur Erhöhung des Steuerzuschusses für die Arbeitslosenversicherung und das Gesundheitswesen dienen, um beide Beitragssätze senken und somit Arbeit verbilligen zu können – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. MARKUS SCHUBERT

Der Autor ist Moderator beim Hörfunksender NDR Info