DAS WETTER: DIE KAMMER

Was hatte sie in ihrem Leben nicht schon alles mitgemacht, dachte die Kammer. Früher, als sie noch jung und hübsch war, nannte man sie Herz oder gar Schatz, lobte ihre zarte Musik und ihr aufregendes Spiel. Doch diese Zeiten sind lange vorbei, der Glanz der ersten Jahre flimmerte unwirklich in der Hitze des Hier und Jetzt. Aber die Zeiten waren ja auch nicht immer schön gewesen. In den düsteren Jahren des Krieges fristete die Kammer ein grausiges Dasein – mit Folter und Schrecken und meist auch ohne Speise. Nun da sie alt und voller Gerümpel war, wurde der Kammer bewusst, dass sie längst abgestellt worden ist. Sie wollte die ungerechte Welt verklagen und beschloss, ihren Bruder anzurufen – der war nämlich Anwalt geworden.