Prügelmetal, die neue Avantgarde

Schon das letzte Von-Spar-Album war anstrengend. Zwei Songs, eine gute Stunde Experimentalmusik, ein Versuch in Dub, Elektronik und einer Überdosis Krautrock, nahezu textfrei. Die prägnante Stimme Thomas Mahmouds war nur entfernt zu erkennen, erging sich in Schreien. Die einstige Hoffnung des deutschsprachigen Indierocks, die späte Kölner Antwort auf Fehlfarben, die Erweiterung der Hamburger Schule bis an den Rhein, Ende, aus, vorbei.

Mahmoud und Mitstreiter hatten andere Interessen, wichen dem Diskurs aus, wollten jetzt in Kunstmusik machen. Was natürlich schade war. Verständlicher wurde der Schritt durch die anschließende Auflösung der Band Von Spar nicht. Jetzt ist er etwas nachvollziehbarer geworden. Denn Mahmoud ist dem Ruf der Hauptstadt gefolgt und hat mit Gerald Mandl von Mediengruppe Telekommander ein neues Projekt gestartet, das etwas martialisch, mit dadaistischem Dreh Tannhäuser, Sterben & das Tod heißt. Neulich gab es ein erstes Konzert im gut gefüllten Dot Club unweit des Kreuzberger Spreeufers. Unterstützt wurden die beiden durch zwei Schlagzeuger (Chris Imler, Sebastian Vogel). Neben sehr vielen elektronischen Elementen, die eine Schlagseite ins Ambienthafte hatten, ging es unvermutet knüppelhart zu. Mahmoud und Mandl haben den Hardcore entdeckt, den Grind, den Prügelmetal, die neue Avantgarde. Und Thomas Mahmoud, inzwischen wieder stimmlich engagiert, aber immer noch auf Misstrauenskurs der deutschen Sprache gegenüber, brüllte, kreischte und sang. Englisch.

Vielleicht möchte er ja so etwas wie der neue Mike Patton sein. Den Weg vom Pop in den Exzess, in Gewalt, Drone und Krach gehen und wieder zurück. Auf der in limitierter Auflage erhältlichen, titellosen DVD üben sich Tannhäuser, Sterben & das Tod aber noch hauptsächlich im Vertonen von Kunstkurzfilmen. Hochspannungsleitungen in Grautönen, dazu Ambientsounds. Metallische Riffs, Schleifen, eine Menge Rumms. Zwei Schauspieler im Dunkeln. Eine singende Spinne. Eine verzerrte Körperoberfläche, die zum verschwindenden Körper wird. Die Mischung aus komplexen Soundgebilden, übereinander geschichteten Patterns und Loops, dazu die Ausfälle in Brachialität und Stumpfheit – das mag nicht mal so neu sein, siehe Mike Patton, ziehen tut es doch.

Von der Kunst also zur Musik. So scheint es jedenfalls – ist aber tatsächlich anders herum: Die Musik war zuerst da, dann erst kamen die Filme. Die stammen u. a. von Markus Wambsganss und Martin Sulzer. Sehr ambitioniert jedenfalls, das Ganze. Und sehr sehenswert. Die Tracks tragen übrigens alle deutsche Titel: „Endfilm“, „Freischwimmer“, „Plätschern“ und „Urschleim“. Auch hier lässt der Krautrock grüßen.

Bis ein reguläres Album von Tannhäuser Sterben & das Tod erscheint, muss man sich jedoch noch etwas gedulden. Die DVD ist in der selbst gegründeten Edition Mutation erschienen, vorab kam eine Musikkassette heraus. Betreut werden Mahmoud und Mandl von Rewika Records. Vielleicht folgt ja noch eine gute, alte Schallplatte aus Vinyl. Mit konkreter Musik, gewöhnlich Lärm genannt. RENÉ HAMANN

■ Tannhäuser Sterben & das Tod „s/T“ (Edition Mutation/Rewika)