JOSEF WINKLER ÜBER ZEITSCHLEIFEICH WOLLTE JA NICHT PER SE DEN TYP VERMÖBELN, SONDERN MICH PRIMÄR BEI HEINZ RANSCHLEIMEN
: Ich bin sonst nicht so

Neulich hab ich so einem Typ draußen vorm Haus voll eine in die Fresse gehauen. Natürlich haben sich gleich ein paar Leute groß aufgeregt, aber die kapieren halt alle nichts. Ich fühle mich da etwas missverstanden. Ich hab dem Typ ja nur eins verpasst, weil ich demonstrieren wollte, wie hoch ich im Vergleich zu ihm meinen Kumpel Heinz schätze. Ich wollte meinem Kumpel Heinz einfach mal ein Kompliment machen. Auf den Heinz lass ich nichts kommen.

Und er hat jetzt „Sky“, der Heinz, und wenn für mich die Bundesligasaison geritzt wäre, wär das geil oder was? Jedenfalls hoffe ich, Heinz hat ein Gespür dafür bekommen, was ich für ihn empfinde und fühlt sich ein klein wenig gebauchpinselt davon, dass ich diesem Typ da eine gesemmelt hab.

Klar, das Geblöke der politisch Korrekten nervt, aber ich find’s auch gut, weil so der Heinz mitkriegt, wie ich sozusagen aufrecht für ihn eintrete. Die Sache selbst ist für mich eh erledigt, ich hab ja klipp und klar erklärt: „Ich wollte niemandem eine in die Fresse hauen. Sollte dies doch geschehen sein, bedauere ich es.“

Gut, ne? Und stimmt sogar! Ich wollte ja nicht per se den Typ vermöbeln, sondern mich primär bei Heinz ranschleimen (unter uns: Der Heinz ist nicht der Hellste, bei dem muss man oft mal deutlicher werden, hehe). Meine Motive liegen also klar auf der Hand, ich habe mich entschuldigt, und damit könnte man die Tassen jetzt auch wieder im Schrank lassen, find ich. Mir Gewalttätigkeit vorzuwerfen, ist im Übrigen absurd, weil ich sonst noch nie wem eine reingehauen habe. Gut, außer ein paar Mal, aber das hatte jeweils Gründe, und außerdem wurde da auch viel missverstanden und böswillig fehlinterpretiert.

Puh. Entschuldigung, bitte nicht entsetzt sein. Ich habe mir dieses krude Gleichnis nur ausgedacht, quasi als Gedankenmodell für mich, um es in meinen Kopf reinzukriegen, warum einer hasspredigenden (mittlerweile wegen Volksverhetzung angezeigten) Kanaille wie Jürgen Rüttgers nicht endlich – um es den Umständen angemessen auszudrücken – der Arsch aufgerissen wird.

Zwischenstand: Bisher ist es nicht in meinen Kopf reingegangen. Aber ich bin momentan wohl eh etwas schwer von Begriff.

Habe ich das richtig verstanden: Die Regierung Kohl hat einst mit „massivem Druck“ dafür gesorgt, dass die Bedenken von Experten bezüglich Grundwasserdichtheit des potenziellen Atomendlagers Gorleben unter den Tisch gekehrt wurden? Die Strahlenverseuchung aller Restgenerationen in diesem Weltteil, in Kauf genommen aus Macht/Profitkalkül? Als ginge es, sagen wir, um die Vertuschung der Existenz einer Fledermausart zum Bau einer Elbtalbrücke?

Wow. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir scheint das die asozialste Drecksauerei, von der ich in diesem Land seit 1945 gehört habe. Mein Vorschlag zur Güte wäre, die Namen aller, die hiervon wussten und stillhielten, mit Schande zu belegen und diese verabscheuungswürdigen Feinde von Menschheit und Schöpfung auf ewig – oder zumindest mal 15,7 Millionen Jahre, das ist die Halbwertszeit von Jod 129 – aus der Gemeinschaft der Zivilisierten zu verstoßen.

Oder, wenn das schon nicht geht: Könnte über den Fall wenigstens annähernd so ausführlich und erregt diskutieren werden wie darüber, dass Ulla Schmidt ihren behämmerten Dienstwagen mit in Urlaub genommen hat? Mir platzt nämlich sonst demnächst der Kopf. Aber das wäre wohl eh das Probateste.

P.S.: Es lag mir fern, jemanden als „Kanaille“ zu bezeichnen; sollte dies doch geschehen sein, bedauere ich es natürlich total etc. pp.

JOSEF WINKLER

Hinweis:

ZEITSCHLEIFE

Dinge, die Sie bedauern? kolumne@taz.de MORGEN: Martin Reichert und die LANDMÄNNER