Werden Merkel und Hollande ein Erfolgsduo?
Ja

MOTOR Wenn Deutschland und Frankreich an einem Strang zögen, bewegte sich ganz Europa

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Kerstin Andreae, 43, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der GrünenEs stellt sich gar nicht die Frage, ob Merkel und Hollande ein Duo werden können: Sie müssen. Die europäische Wirtschafts- und Währungsunion steht vor ihrer größten Herausforderung. Die Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt, die Zinskosten für die Krisenländer explodieren. Merkel allein war bisher nicht mutig genug oder – schlimmer – womöglich nicht willens, die richtigen Schritte rechtzeitig zu gehen. Dadurch hat sich die Krise verschärft und ist teurer geworden. Ohne gemeinsames engagiertes Handeln der beiden wichtigsten Mitgliedsländer droht der Zerfall der Eurozone. Daher müssen Merkel und Hollande ihre persönlichen Querelen überwinden und gemeinsam für eine starke politische Union kämpfen. Mir würde es fürs Erste schon reichen, wenn die beiden als „einfaches“ Duo auftreten. Am Ende muss dieses Duo aber auch Erfolg haben – für die Zukunft Europas.

Chantal Mairesse, 31, Stiftung für Deutsch-Französische Zusammenarbeit GenshagenMerkel und Hollande werden ein Erfolgsduo bilden müssen und können. Weil sie erstens in der EU die größte Verantwortung für den europäischen Zusammenhalt tragen. Sie können es sich nicht leisten, entgegengesetzt zu handeln. Weil sie außerdem in vielen Bereichen, wie der Währungs- oder Wirtschaftspolitik, unterschiedliche politische Präferenzen haben – und genau diese deutsch-französische Differenzen haben bisher immer zu Kompromissen geführt, die ganz Europa nach vorne gebracht haben. Zudem haben beide einen ähnlichen Politikstil: wenig autoritär, sehr sachlich. Und schließlich sprechen sich beide dafür aus, dass die europäische Kommission und das EU-Parlament gestärkt werden sollten.

Maryam Zaree, 28, ist freiberufliche Theater- und Fernsehschauspielerin in BerlinIch denke schon. Es wird zwar keine Liebesheirat sein, aber hoffentlich eine erfolgreiche Zweckehe. Gerade mit ihren Uneinigkeiten und den notwendigen Reibungen könnten sie Europa wieder demokratischer gestalten. Ohne die kritischere Stimme Hollandes wird Europa durch Merkel immer mehr zum Dienstleister der Finanzmärkte. Fragen nach sozialer Gerechtigkeit können nicht von Ratingagenturen beantwortet werden. Hollande und Merkel als gewählte Volksvertreter brauchen einander, um profigesteuerten Spekulanten Widerstand zu leisten, statt deren Handlanger zu sein.

Gudrun Margotton, 55, ist stellvertretende Leiterin des Goethe Instituts in LyonObwohl Merkel und Hollande sich politisch fern sind, sind sie sich menschlich nah. Beide werden gute Kompromisse finden. Wichtig im Moment wäre der strenge Sparkurs von Merkel und dazu das Wachstum, das Hollande betont. Ein Zeichen für erfolgreiche Zusammenarbeit ist der Fakt, dass Premierminister Jean-Marc Ayrault ein ehemaliger Deutschlehrer ist und gute Kontakte nach Deutschland hat. Doch auch wenn das neue Duo weiter eine führende Rolle hat, wird diese weniger ausgeprägt sein als mit Sarkozy. Man wird jetzt die anderen EU-Ländern viel mehr einbeziehen müssen.

NEIN

Stephen Clarke, 50, ist Autor des Ratgeberbuchs „Überleben unter Franzosen“Hollande und Merkel können kein Duo werden. Hollande hat die Wahl gewonnen, weil er der Anti-Sarkozy-Kandidat war. Er muss jetzt dem mathematischen Gegenteil von Sarkozys Politik folgen. Sarkozy wollte zusammen mit Merkel Europa retten. Hollande muss Europa vergessen. Sarkozy meinte, Frankreich müsse „mehr deutsch“ werden. Deshalb muss es unter Hollande weniger deutsch werden. Ein Unternehmer und seine Arbeiter dürfen nicht länger wie unter Sarkozy enger zusammenarbeiten, um die Firma zu retten – der Boss muss einfach mehr Steuer zahlen. Hollande hat der Nation kostenlose Schmerzmittel versprochen. Statt Geld zu sparen, wird er mehr ausgeben. Er will das Rentenalter wieder reduzieren. Er stellt tausende von neuen Beamten ein – es ist ja auch der Traum der Mehrheit der Franzosen, Beamter zu werden und bis zum frühen Rentenalter zu schlafen. Kurz gesagt, Hollande kann in keinem Duo sein. Frankreich wird allein stehen und sich nur um Frankreich kümmern. Wie 1940 …

Boycho Latovski, 36, Manager eines bulgarischen Medienunternehmens Nein, sie werden gar kein gutes Duo bilden. Weil Merkel es sich wünscht, dass Hollande sich ihr unterordnet. Und hinzu kommt , dass Hollande ein Sozialist ist. Er hat vor, Geld auszugeben, damit ist er auch an die Macht gekommen. Er hat es vor der Wahl versprochen. Die Arbeitslosikeit in Frankreich hat Rekordzahlen erreicht, und er kündigt an, mit zusätzlichen Ausgaben die Wirtschaft anzukurbeln. Merkel ist genau anderer Meinung: Im Namen des Wachstums würde sie nicht zusätzliche Kredite billigen, weil sie ökonomische Schwierigkeiten befürchtet. Auch wenn Hollande das Renteneinstiegsalter auf 60 Jahre zurücksetzt, kommen sich die beiden wieder in die Quere. Und schließlich: Wenn Hollande Frankreichs ökonomischen Kurs stark verändern will, werden die Märkte ihn mit höheren Zinsen strafen, und sein Flirt mit Merkel wäre zu Ende. Er wird sich von Merkel und von den Märkten zähmen lassen, aber dadurch entsteht kein erfolgreiches Paar.

Sandro Abbate hat die sonntaz-Frage auf der Facebook-Seite der taz kommentiertDie Zeit der Begrüßungsküsschen, der gemeinsamen Spaziergänge – die Zeit von Merkozy ist vorbei. Wie sich das Verhältnis von Angela Merkel zu ihrem neuen, sozialistischen Amtskollegen François Hollande entwickelt, ist wohl nicht mit endgültiger Sicherheit zu sagen. Zumal es stets zumindest in der Anfangszeit Anlaufschwierigkeiten bei den deutschen und französischen Staatschefs gab. Meinungsverschiedenheiten bestehen momentan hinsichtlich der Rettung aus der Eurokrise. Während sich Hollande erneut für Eurobonds ausspricht, werden diese von deutscher Seite strikt abgelehnt.

Nun stellt sich aber auch die Frage, ob eine gemeinsame Linie von Frankreich und Deutschland unbedingt von Vorteil ist. Einerseits sollten die beiden führenden Nationen in Europa an einem Strang ziehen. Andererseits vertreten die beiden Nationen zwei Pole innerhalb der europäischen Gemeinschaft. Konkret heißt das: Wenn Deutschland und Frankreich zu einem Kompromiss finden, sollte dieser sich bei den anderen EU-Mitgliedern leichter durchsetzen lassen. Ich finde, ein Traumpaar à la „Merkande“ oder „Hollkel“ brauchen wir gar nicht. Vielleicht findet sich schon nächstes Jahr ein passenderer Partner für Hollande.