Tante Emma ließe es lieber bei 16 Prozent

Der kriselnde Einzelhandel sieht in einer Erhöhung der Mehrwertsteuer vor allem einen Branchenkiller

BERLIN taz ■ Der Einzelhandel lehnt eine mögliche Mehrwertsteuererhöhung entschieden ab. Sie bedeute „wirklich Gift für die Konjunktur“, sagte der Präsident des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, Hermann Franzen, gestern in Berlin. „Weder das Stopfen von Haushaltslöchern noch eine Absenkung von Sozialversicherungsbeiträgen können eine höhere Mehrwertsteuer rechtfertigen.“ Er hoffe, dass die Union auf den Kurs der FDP einschwenkt, die eine Erhöhung kategorisch ausschließt. Verbündete im Kampf gegen eine höhere Mehrwertsteuer seien Handwerks- und Gastronomieverbände.

Schon eine Erhöhung von 16 auf 18 Prozent würde den Einzelhandelsumsatz um 4 Prozent drücken, sagte Franzen. Der durchschnittliche Vier-Personen-Haushalt müsste jährlich 1.100 Euro mehr ausgeben, „Geld, das die meisten Haushalte nicht haben“. Stattdessen fordert Präsident Franzen, die Einkommensteuer weiter abzusenken. Dafür müssten jedoch bisherige Subventionen wie Eigenheimzulage und Pendlerpauschale gestrichen werden.

Auch sollten die Lohnzuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit künftig normal besteuert werden. Franzen meint, diese Löhne seien besser direkt zwischen den Unternehmen und ihren Mitarbeitern zu regeln. Er unterstützt das Vorhaben der Union, nach einem Wahlsieg den Kündigungsschutz zu lockern. Neueinstellungen seien dann besser zu kalkulieren.

Im ersten Halbjahr des Jahres beklagten die Einzelhändler einen leicht rückläufigen Trend bei den Umsätzen. Wirtschaftsexperten halten die Probleme jedoch zum Teil für hausgemacht. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Mercer Management Consulting verstehen die meisten Händler zu wenig von Preisgestaltung.

Ein Beispiel: Wegen des Drucks der Discounter werben auch klassische Supermarktketten und Warenhäuser mit Billigpreisen. Doch die Rechnung gehe nicht auf. Deutsche Konsumenten kauften zu oft nur die verbilligten „Aktions“-Produkte, an denen Supermärkte jedoch nichts verdienten. Die Verbraucher würden so zu „werbesüchtigen Schnäppchenjägern“ erzogen, meint Mercer-Handelsexperte James Bacos. Auch seien in Deutschland die Preisschilder oft zu klein, unlesbar und nicht verständlich. In Großbritannien dagegen sei Preiskommunikation so wichtig, dass ganze Abteilungen daran arbeiten. Die Umsätze und Gewinne der Einzelhändler sind auf der Insel deutlich besser. STEP, SEI