Kritik an Inszenierung

ANTISEMITISMUS Zentralrat der Juden sieht Klischees in Fassbinder-Theaterstück und fordert Absetzung

MÜLHEIM dpa | Die geplante erste Deutschland-Aufführung des umstrittenen Fassbinder-Stücks „Der Müll, die Stadt und der Tod“ stößt auf scharfe Kritik der jüdischen Gemeinschaft. Das Werk soll am 1. Oktober im Mülheimer Theater an der Ruhr gezeigt werden. Der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Jüdische Gemeinde Duisburg/Mülheim forderten den Theaterleiter Roberto Ciulli am Donnerstag auf, das Stück abzusetzen.

Das Theater sollte „aus Respekt vor den wenigen Überlebenden des Holocaust und den Millionen von Toten auf die Aufführung verzichten“, hieß es in einer der dpa vorliegenden gemeinsamen Erklärung. Kritiker werfen dem 1975 entstandenen Werk über einen Frankfurter jüdischen Häuserspekulanten antisemitische Tendenzen vor.

Regisseur Ciulli sei mit dem Versuch gescheitert, dem Stück von Rainer Werner Fassbinder (1945–1982) eine „aufklärerische Zielsetzung zu verleihen, die den Antisemitismus entlarvt und damit bekämpft“, sagten der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, und der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Jacques Marx. Beide hatten am Dienstag mit Ciulli und dem Dramaturgen Helmut Schäfer ein Gespräch über das Stück geführt. Die Vertreter der jüdischen Gemeinschaft hätten auch das Angebot angenommen, einer der Proben beizuwohnen.

„Das Fassbinder-Stück stellt Charaktere schablonenhaft und mit den üblichen Klischees behaftet dar“, sagte Kramer. Trotz aller Bemühungen des Regisseurs, das Gegenteil zu bewirken, bleibe der Zuschauer mit dem „Bild eines reichen, raffgierigen und zerstörerischen Juden zurück, der sein Werk noch dazu auf dem Fundament des Schuldvorwurfs gegen Deutschland vor dem Hintergrund des Holocaust heimtückisch verrichtet“.

Warum Ciulli ausgerechnet mit diesem Stück einen Beitrag zum Kampf gegen den Antisemitismus leisten wolle, bleibe das Geheimnis des Regisseurs, sagte Kramer weiter. Das Werk habe zu „einem der größten Kulturkämpfe“ in der deutschen Nachkriegsgeschichte geführt. Die geplante Uraufführung des 1975 entstandenen Skandalstücks scheiterte 1985 an Protesten. 1998 kam eine Aufführung am Maxim Gorki Theater in Berlin nicht zustande. Uraufgeführt wurde das Stück in New York 1987, auch in Tel Aviv wurde es gespielt.