Münster will Aussiedler zerstreuen

In der „Münsteraner Erklärung“ verpflichten sich Politik, Verbände und Wohnungseigentümer, „gemischtes Wohnen“ von Einheimischen und Zuwanderern zu fördern. Münsters Bemühungen seien vorbildhaft, sagen Betroffene

MÜNSTER taz ■ Die Stadt Münster kämpft gegen die Ghettobildung bei Spätaussiedlern. In der „Münsteraner Erklärung“ verpflichten sich Wohnungswirtschaft, Politik, Verwaltung sowie Verbände, Kirchen und Vertreter von Migranten auf Leitlinien, die ein gemischtes Wohnen von Einheimischen und Zuwanderern fördern soll.

Das Papier, das am Mittwoch veröffentlicht wurde, ist Ergebnis der Arbeitsgemeinschaft „Xenia“ – ein Baustein des deutsch-niederländischen Projekts „Zuwanderer integrieren“. Ziel der Erklärung ist es unter anderem, die Belegung von Wohnungen zu quotieren. Dennoch lässt sich das gemischte Wohnen nicht verordnen. „Es handelt sich nur um eine Empfehlung“, sagt Jochen Köhnke, städtischer Dezernent für Aussiedler- und Flüchtlingsangelegenheiten.

Spyros Marinos, Vorsitzender des Ausländerbeirats in Münster, unterstützt zwar das Integrationskonzept seiner Stadt, hält den Titel „Münsteraner Erklärung“ aber für aufgeblasen. Das Papier bündle nur die Aktivitäten, die in Münster schon seit Jahren liefen. Marinos fügt kritisch hinzu: „Zuerst sollten sich die Wohnungsgesellschaften verpflichten, eine bestimmte Zahl an Aussiedlern aufzunehmen.“ Der Zusammenschluss der privaten Wohnungseigentümer „Haus und Grund“ hätte das aber nicht unterschrieben.

25.000 Spätaussiedler leben in Münster, sie sind die größte Einwanderungsgruppe dort. „Wohnen ist nach der Sprache am zweitwichtigsten für die Integration“, ist der Aussiedler-Beauftragte Köhnke überzeugt. Sie gelänge am besten in „nicht verdichteten Gebieten“, wo Zuwanderer als neue Nachbarn aufgenommen werden können und nicht unter sich blieben. Um das zu beweisen, würde das Projekt Xenia auch von der Uni Münster wissenschaftlich betreut. „Wir haben 32 Familien in Vierteln einquartiert, wo vorwiegend Einheimische leben.“ Zwei weitere Familien werden bei ihrer Integration in einen mehrheitlich von Spätaussiedlern bewohnten Stadtteil begleitet.

Bereits seit Anfang des Jahres werden in Münster Neuankömmlinge von einer „Lotsin“ der Stadt bei ihrer Wohnungswahl beraten und auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die ein Einzug in Viertel mit vielen Spätaussiedlern mit sich bringen kann. Zum Beispiel seien dort die sozialen Beratungsstellen und die Kinderbetreuungsmöglichkeiten überlastet, so Köhnke. „Es ist außerdem schwierig, sich mit einer stigmatisierten Adresse auf einen Arbeitsplatz zu bewerben“.

„Vorbildhaft“ nennt Johann Engbrecht, NRW-Vorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, die Münsteraner Bemühungen. Seine Stadt Duisburg schicke zwar ebenfalls so genannte Lotsen in die Aufnahmestelle für Aussiedler nach Unna-Massen. Doch diese böten den Familien oft nur eine Wohnung weit weg von ihrer Verwandtschaft an. „Wenn die Betroffenen das erste Angebot ablehnen, dürfen sie überhaupt nicht mehr nach Duisburg.“ Es könnten nicht nur die Wünsche der Stadt erfüllt werden, kritisiert Engbrecht. „Die Nähe zu Verwandten und Bekannten ist gut, sie können den Neuen auch bei der Orientierung helfen“.

Das sieht Andrea Bestgen, Abteilungsleiterin im Duisburger Amt für Soziales und Wohnen, viel pragmatischer: „Wir machen den Betroffenen klar, dass sie ihre Verwandten ja auch besuchen können. Wir haben ein hervorragendes öffentliches Nahverkehrssystem.“

NATALIE WIESMANN