Grelle Zerklüftungen

Konrad Wolfs „Goya“-Film, den jetzt das Abaton zeigt, wirft deutliche Schlaglichter auf die innere Zerrissenheit des im Laufe seines Lebens immer sozialkritischeren spanischen Malers

von Gaston Kirsche

Auf einer Holzplattform sitzt mit einer spitzkegeligen Ketzerin-Mütze gesenkten Hauptes eine Frau. Sie wird begafft von dem Publikum ringsherum. Aus der Menge ragt eine höhere Tribüne, von der eine andere Frau mit erhobener Stimme aus einem Heft liest.Diese grausig genaue Darstellung einer Inquisitionsszene findet sich auf dem Capricho Nr. 23 des spanischen Malers Francisco José Goya y Lucientes.

In seinem Film Goya hat der Regisseur Konrad Wolf 1970 diese Schwarzweiß-Zeichnung etwas frei in eine düstere, farbige Szene umgesetzt. Goya steht in der Kunstgeschichte für die Entdeckung des flirrenden Graus in seinen auch heute noch beeindruckenden Zeichnungen, die ihm zur Neubewertung von Farbe und Licht verhalf. Aber auch Stierkämpfe und das Werben um die Geliebte regten die Phantasie des Malers an – ebenso wie die Schrecken der Inquisition und des Krieges.

Im Film Goya ist er als Hofmaler des spanischen Königshauses zu Wohlstand und Ansehen beim Hochadel gekommen. Doch obwohl seine Bilder in Schlössern hängen, möchte er auch anderes malen als repräsentative Porträts oder religiöse Motive. Seine Bildnisse etwa der Familie von König Karl IV. lassen sich auch als Kritik an selbstherrlicher Arroganz der angeblich gottgegebenen Macht deuten. Doch je stärkter sich Goya dem Alltag auf der anderen Seite der Gesellschaft öffnete und sich mit den Lebensbedingungen armer Leute befasste, desto größer wurde der Widerspruch zur Perspektive der Herrschenden. Er geriet in die Fänge der Inquisition, die in Spanien eine mächtige Institution zur Herrschaftssicherung war. Doch Goya schwor der Wahrheit seiner Bilder über das Leben „einfacher Leute“, den Caprichos, nicht ab.

Der Film, der um die Wende zum 19. Jahrhundert spielt, basiert auf Lion Feuchtwangers Roman Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis. Das Werk enstand im Exil in den USA während der beginnenden McCarthy-Ära, der auf den Zweiten Weltkrieg folgenden Zeit der massiven Kommunistenverfolgung.

Wolf interessierte an Goya dessen Leiden an dem widersprüchlichen Verhältnis zwischen Künstler und Macht. Goya stand seinerzeit zwischen den Ideen der französischer Revolution von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit einerseits und spanischer feudaler Rückwärtsgewandtheit andererseits.

Neben der inhaltlich sorgsamen Darstellung dieses komplexen Themas besticht dieser Film vor allem durch seine opulenten Bilder. Goya ist ohne Zweifel auch ein Kostümfilm. Und die Brillanz der Bilder ist der Kunstfertigkeit des Malers Goya durchaus angemessen. Goya war einer der ersten Filme, die in der DDR auf 70 mm breitem Film gedreht wurden; dies erbrachte – anders als beim bis dato gebräuchlichen 35 mm-Format – eine wesentlich bessere Bildauflösung mit feinerer Körnung. Auch aufgrund dieser technischen Perfektion wurde Goya – abgesehen von seiner Starbesetzung und starken Metaphern – zu einem internationalen Erfolg. Der Film läuft jetzt begleitend zur Ausstellung Greco, Velázquez, Goya, die noch bis zum 21. August im Bucerius Kunst Forum zu sehen ist, im Abaton.

11. + 18.7.,17 Uhr sowie 20. + 21.8., 13 Uhr, Abaton