Kommt die Love Parade aus Regensburg?

Frank Karl hat eine Mission. Er muss der Welt erklären, dass er der wahre Erfinder des Technospektakels war. Dr. Motte nennt ihn einen Lügner

Die Geschichte kennt viele Zuspätgekommene. Zumeist sind es tragische Figuren. Wie der Engländer Robert Scott zum Beispiel, der nämlich kam zu spät am Südpol an. Den Ruhm als Eroberer heimste der Norweger Roald Amundsen ein. Doch auch Scott, der auf seinem Rückweg im Eis krepierte, ist nicht vergessen. Sein Name ging in die Geschichtsbücher ein – wenn auch als Synonym für den ewig Zuspätgekommenen.

Auch Frank Karl ist ein Zuspätgekommener. Doch seinen Namen kennt dagegen (noch) keiner. Da sich das aber ändern soll, hat er einen Brief an die taz-Redaktion geschrieben. Herr Karl ist nämlich der Erfinder der Love Parade. Zumindest sieht er das so. Vielleicht ist er – hier muss auf die Parallele zu Scott als quasi „zweiten Eroberer“ des Südpols verwiesen werden – aber nur ihr zweiter Erfinder. Als ersten nennt die Nachwelt bislang ohne Zögern den Namen des Techno-DJs Dr. Motte.

Jetzt, wo die Love Parade tot ist, spielt es doch keine Rolle mehr, von wem die Idee kam, denkt der Normalsterbliche nicht ohne gewisse Berechtigung. Nicht aber für Karl. Wie jedem, den einmal eine geniale Eingebung über den dumpfen Rest erhob, geht es auch ihm um Dinge wie Ruhm und Ehre und damit natürlich um einen Platz in der Geschichte. Vorsorglich hat er sich daher schon mal den Namen Karl zugelegt, weil Dr. Motte ja auch nicht mit dem Namen geboren ist.

Wir müssen also in Kürze die Ereignisse im Jahr 1989 rekapitulieren, wie sie der gelernte Industriekaufmann Karl, der damals noch anders hieß, in seinem Brief schildert: Als Teenager war Karl ein Pionier der Technoszene und viel in der Regenburger Disko „Scala“ unterwegs. Dort traf er auf einen Regensburger DJ, der manchmal am Wochenende zum Feiern nach Berlin fuhr. Der wiederum kannte Dr. Motte, einen damals noch relativ unbekannten Berliner DJ, der eine Techno-Straßenparty veranstalten wollte, aber an den Berliner Behörden gescheitert war. Als Karl dies hörte, hatte er die alles entscheidende Eingebung: Der muss einfach eine Demo anmelden. Auch ein Motto fand er schnell: Friede, Freude, Eierkuchen. Erst als seine Idee Dr. Motte in Berlin durch den Regensburger DJ übermittelt wurde, war die Love Parade auch wirklich geboren.

Zurück aus Berlin kam ein Danke von Dr. Motte und die Frage, ob Karl mitmachen wollte. Er wollte aber nicht. Vereinbart wurde lediglich, dass Dr. Motte sich nicht selbst als Erfinder ausgibt. Wenig später zog sich Karl aus der Technoszene zurück, und für die Love-Parade-Veranstalter begann ein bespielloser Erfolg. Doch auch das störte den eigentlichen Erfinder nicht. Erst 14 Jahre später, als die Love Parade schon dem Ende zuging, klickte Karl zum ersten Mal auf die offizielle Webseite. Unter der Rubrik Historie lass er, dass Dr. Motte die Idee der Demo als seine eigene beansprucht. Stinksauer schrieb Karl ihm mehrere E-Mails. Es kam keine Antwort.

Seitdem kämpft Karl erbittert für die Enttarnung von Dr. Motte als Schwindler und seine Anerkennung. Sein Triumph ist ein Tonband mit der Stimme des Regensburger DJs, der seine Version mit den Worten „mag sein, dass du Recht hast“ bestätigt. Auch Journalisten der Süddeutschen Zeitung hätten vor einem Jahr bei der Aufklärung um den wahren Erfinder fast eine wichtige Rolle gespielt – doch leider verbummelten sie den großen Showdown zwischen Karl und Dr. Motte in einer Münchner Disko. Wie es genau war, werden wir wohl jetzt nie mehr erfahren. Es steht Mann gegen Mann und Aussage gegen Aussage. Für Dr. Motte ist Karl nicht der Erste, der etwas von seinem Ruhm für die Love Parade abknapsen will. Er spricht von Lüge, Missgunst und Schrebergartenmentalität in Deutschland. Es sieht also nicht gut aus für Karl und seinen Platz in den Geschichtsbüchern.

Die Verewigung in der taz ist aber schon mal ein Anfang. Vielleicht könnte er, wenn nicht als zu spät gekommener Erfinder, doch noch als heldenhafter Retter in die Geschichte eingehen. Denn Karl hat eine geniale Idee, wie er die Love Parade wieder zum Leben erwecken kann. Die will er aber nur Dr. Motte persönlich verraten, er wartet nur noch auf dessen Zeichen. Also bitte, Dr. Motte, melde dich!

TINA HÜTTL