Reise in den Regen

Zwei brasilianische Teams duellieren sich im Finale der Copa Libertadores, der Champions League Südamerikas

PORTO ALEGRE taz ■ „Deren Stadion ist zu klein, das gibt’s nicht!“ Die Schadenfreude war Helio Soares, Sportjournalist und glühender Anhänger des FC São Paulo, wo Ex-Herthaner Luizão unter Vertrag steht, deutlich anzusehen. Und auch die restliche Fangemeinde des Klubs aus der wohl hässlichsten Großstadt der Welt nahm die Entscheidung des Fußball-Kontinentalverbandes Comnebol mit großer Freude zur Kenntnis. Comnebol hatte bekannt gegeben, dass die hypermoderne Arena von Atlético Paranaense, Finalgegner des FC São Paulo in der Copa Libertadores, schlicht zu klein für ein großes Fußballfinale sei, ein Endspiel, das erstmals seit dem 46-jährigen Bestehen der Champions League Südamerikas von zwei Teams aus einem Land bestritten wird. Atlético musste also Ersatz suchen – und fand ihn 700 Kilometer entfernt in Porto Alegre, ganz im Süden Brasiliens. Doch große Entfernungen sind für die Fußballliebhaber nichts Neues im riesigen Land.

Die Verantwortlichen von Atlético Paranaense verstanden freilich die Welt nicht mehr. „Unser Stadion soll zu klein sein? Das kann ja wohl nicht wahr sein“, fluchte ein hoher Funktionär in der heimischen Gazeta do Povo. Das modernste Stadion Brasiliens haben sie hier im Jahre 1999 nach 18 Monaten Bauzeit fertig gestellt und jetzt war es nicht gut genug? Das Problem: Das Fassungsvermögen liegt mit 24.000 Zuschauern weiter unter der Vorgabe der Conmebol, welche als Minimum 40.000 vorschreibt. Hektisch wurde nach Alternativen gesucht und schließlich das Estadio Beira-Rio in Porto Alegre gefunden.

Atlético Paranaense ging 1924 aus dem Zusammenschluss zweier Kleinvereine in der Stadt Curitiba hervor. Unzählige gewonnene Regionalmeisterschaften lassen sich in den Geschichtsbüchern finden, zu einem nationalen Titel reichte es nur einmal, 2001. Letzte Saison hatte Atlético den Titel eigentlich längst in der Tasche, wurde aber auf dramatische Art und Weise am letzten Spieltag noch von Jungstar Robinho und seinem FC Santos abgefangen.

Die Qualifikation für die Copa Libertadores war lange nur ein schwacher Trost. In den Gruppenspielen setzte sich der Klub gegen die beiden kolumbianischen Teams aus Medellín und Cali sowie Libertad aus Paraguay durch. Im Achtelfinale gegen Cerro Porteño, ebenfalls aus Paraguay, musste das Elfmeterschießen die Entscheidung bringen, im Viertelfinale wurde Santos souverän ausgeschaltet und somit ein klein wenig Revanche für die verlorene Meisterschaft genommen. Auch die Chivas aus dem mexikanischen Guadalajara konnten Atlético auf dem Weg ins Finale nicht mehr aufhalten. In der brasilianischen Liga läuft es indes für den Klub nicht so gut. Man liegt am Tabellenende: auf Platz 22. Dem Konkurrenten aus São Paulo geht es kaum besser. Der FC rangiert gleichfalls im unteren Drittel.

Über 15.000 treue Fans von Atlético bildeten am vergangenen Mittwoch eine beeindruckende Karawane, die über zwölf Stunden für die siebenhundert Kilometer lange Strecke benötigten. In Porto Alegre wurden sie bei kühlen 8 Grad Celsius mit Sprühregen, welcher aus Argentinien hinüberwehte, begrüßt. Daheim fieberten dreitausend Fans vor einer Großleinwand in der Kyocera-Arena mit. Bereits nach einer knappen Viertelstunde ging Atlético durch einen wuchtigen Kopfball von Aloísio in Führung, doch dann verflachte die Partie. Keine der beiden Mannschaften wollte ein Risiko eingehen.

Der Ausgleich entsprang ebenfalls einem Kopfball. Torhüter Diego klatschte diesen so unglücklich ab, dass er seinem Mitspieler Durval wie ein Pingpong-Ball genau vor die Stirn knallte und von dort ins eigene Tor abprallte. Enttäuscht rollten die Fans aus Curitiba nach dem Schlusspfiff ihre Fahnen ein. Übermüdet waren sie längst, nun stand ihnen noch die ewig lange Rückreise bevor. Zum Rückspiel am kommenden Donnerstag in São Paulo werden sie es nicht ganz so weit haben, die Metropole befindet sich gerade mal 400 Kilometer von Curitiba entfernt. Ein Katzensprung.

STEFFEN RÖSSEL