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heute in hamburg„Ein ganzes Triell an Verlierern“

Foto: Friedemann Simon

Lisa Politt64, ist Kabarettistin und betreibt mit ihrem Lebensgefährten Gunter Schmidt das Theater Polittbüro in St. Georg.

Interview Finn Walter

taz: Frau Politt, warum sind es immer die Verlierer, die den Menschen erzählen, was sie zu tun haben?

Lisa Politt: Ich würde gar nicht mal sagen, dass sich die Verlierer immer durchsetzen. Aber ich bin Teil einer Generation, die von den Verlierern des Zweiten Weltkriegs erzogen worden ist – da ist der Eindruck schon prägend. Und um ihre grundsätzlich verdrängten Selbstzweifel zu bekämpfen, waren diese Verlierer vielleicht auch besonders laut. Über 80 Prozent der Abgeordneten des ersten Bundestags waren ehemalige NSDAP-Mitglieder. Deutschland hat es dann ja bald wieder ganz an die Spitze geschafft, also waren diese Verlierer außerdem ganz besonders erfolgreich – das verführt. Es gibt ja diesen grundfalschen Satz: „Der Erfolg gibt ihm Recht.“

Sind Sie als Künstlerin nicht selbst eine Verliererin der Pandemie, die jetzt erzählen will, wie es funktioniert?

Ganz genau. Wir haben für über ein Jahr eine Spielstätte verloren, die wir aber trotzdem über Wasser halten wollten. Mithilfe der staatlichen und behördlichen Unterstützung Hamburgs ist uns das gelungen, wenn auch unter finanziellen Einbußen. Jetzt erzählen wir den Zuschauern, wie das funktioniert mit 2G-Regeln: dass wir ein Luftreinigungssystem haben und trotzdem auf Masken und Abstandsregeln bestehen.

Und wie reagieren die?

Wir kriegen vergleichsweise eher wenige Reaktionen darauf, dafür aber Hassmails, in denen wir als „Apartheids-Faschisten“ bezeichnet werden, die sich „vor Tschentschers Karren spannen lassen“. Oder die Verfasser wollen wissen, wo der Unterschied besteht zwischen unseren Maßnahmen und einem Polizisten, der Demonstranten mit einem Knüppel niederschlägt. Der Wahrheitssuche des Absenders würde es wahrscheinlich auch nicht weiterhelfen, wenn wir ihn verprügeln würden, damit er den Vergleich ziehen kann.

Was macht einen guten Verlierer aus?

Nur so weitermachen wie bisher, wenn es dafür gute Gründe gibt.

Und was einen guten Gewinner?

Dasselbe.

Sollte man seine Niederlage also einfach eingestehen und die Gewinner machen lassen?

Auf gar keinen Fall!

Ihre Top drei arrogantesten Verlierer der vergangenen Jahre?

Ich könnte jetzt natürlich ein ganzes Triell an Personen nennen – aber ob die wirklich alle verlieren in knapp zwei Wochen, weiß ich natürlich nicht. Ansonsten: Susi Meyer aus der 11. Klasse, als ich ihr den Freund ausgespannt habe.

Kabarett: „Die Arroganz der Verlierer“, Polittbüro, Steindamm 45, bis 30. 9. täglich 20 Uhr, außer montags.

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