Der Wochenendkrimi
: Scharf geschossen

„Tatort: Todesengel“, So. 20.15 Uhr, ARD

Littleton und Erfurt sind noch lange nicht verarbeitet, die Frage nach Ursache und Auslöser für die Massaker ist keineswegs zufrieden stellend beantwortet. Der US-Independentfilmer Gus Van Sant hat vor zwei Jahren mit „Elephant“ eine Reflexion auf die Vorfälle von Littleton gedreht, die so verstörend wie die Tat selbst ist: Die Jugendlichen im Film üben zu Hause Beethoven-Sonaten und gucken eine TV-Doku über den Nationalsozialismus. Nicht gerade die Beschäftigung, die man als Inspirationsquelle für ein Blutbad verstanden haben möchte. Der Gewaltausbruch im heutigen „Tatort“ wird da griffiger und spekulativer in Szene gesetzt. Es geht um einen Lehrling, der bei der Arbeit gemobbt wird und dessen Elternhaus auseinander zu brechen droht. Über Kopfhörer hört er Metal, während er auf dem Computer die Tötung von Menschen simuliert. Dass dieser Halbwüchsige der mysteriöse Scharfschütze sein muss, der vier Personen erschossen hat und nun auch die ermittelnde Kommissarin Lürsen (Sabine Postel) selbst ins Visier nimmt, wird dem Zuschauer schnell klar. Autor und Regisseur Thorsten Näter entwickelt zwar ein recht stimmiges Familienporträt, vereinfacht aber unzulässig bei der Ursachenforschung. Das Unfassbare wird im handlichen Krimiformat dann doch nicht fassbar. Näters Schelte gegenüber der Sensationspresse, die den Fall ausschlachtet, greift ebenso zu kurz wie die Gleichung, dass Gewalt in den Medien beim jugendlichen Konsumenten schnurstracks zur Gewaltausübung führt. CHRISTIAN BUSS