Die Assad-Frage bleibt offen

DIPLOMATIE Die Außenministerkonferenz in Genf schiebt die Entscheidung über die künftige Rolle des syrischen Präsidenten wieder Damaskus zu

„Wir sind nicht bereit, mit Assad und jenen zu verhandeln, die Syrer getötet haben“

CHALID SALEH, SYRISCHER NATIONALRAT

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Bei der Syrien-Außenministerkonferenz am Samstag in Genf ist der scharfe Dissens zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats über die Zukunft von Präsident Baschar al-Assad nicht beigelegt worden. Dabei ging es um die Frage, ob der Machthaber selbst an Verhandlungen über die Zukunft Syriens teilnehmen und möglicherweise Mitglied in einer Übergangsregierung bis zu demokratischen Wahlen werden soll.

Die Entscheidung wurde wieder Damaskus zugeschoben. Die Konferenzteilnehmer einigten sich auf ein Abschlussdokument mit „Prinzipien und Richtlinien für einen von den Syrern gesteuerten Übergang“. Grundlage dieser Einigung war ein neuer Friedensplan, den Kofi Annan, der gemeinsame Syrien-Sonderbeauftragten der UNO und der Arabischen Liga, vor einigen Tagen vorgelegt hatte. Das in Genf vereinbarte Dokument sieht einen Waffenstillstand vor und die anschließende Bildung einer Übergangsregierung der nationalen Einheit. Diese Übergangsregierung soll mit voller Exekutivgewalt ausgestattet sein, eine neue Verfassung ausarbeiten und Wahlen vorbereiten. Ihr sollen „Vertreter des bisherigen Regimes sowie der verschiedenen Zweige der Opposition und aller religiösen und gesellschaftlichen Gruppen“ angehören.

In dem Genfer Einigungsdokument nicht mehr enthalten ist der ursprüngliche Vorschlag Annans, dass „jene Personen von der Übergangsregierung ausgeschlossen werden sollen, deren fortgesetzte Anwesenheit und Beteiligung die Glaubwürdigkeit der Transition untergraben und Stabilität und Versöhnung aufs Spiel setzen würden“. Mit diesem Passus waren Assad und andere führende Mitglieder des Regimes in Damaskus gemeint. Das zumindest war die Interpretation von neun der elf Teilnehmer der Genfer Konferenz: der drei westlichen Vetomächte des Sicherheitsrats, USA, Frankreich und Großbritannien, der EU, der Türkei und der drei arabischen Staaten Irak, Kuwait und Katar.

Der Syrische Nationalrat, die größte politische Gruppierung der Opposition, ging sogar noch einen Schritt weiter. „Letztendlich wollen wir das Blutvergießen in Syrien beenden. Wenn dazu ein politischer Dialog nötig ist, sind wir dazu bereit“, erklärte am Samstagmorgen in Istanbul der Sprecher des oppositionellen Syrischen Nationalrats, Chalid Saleh, und fügte hinzu. „Wir sind aber nicht bereit, mit Assad und jenen zu verhandeln, die Syrer getötet haben. Wir werden nicht verhandeln, solange sie Syrien nicht verlassen haben.“

Russland und China lehnten einen von außen erzwungenen Ausschluss Assads von einer Übergangsregierung oder von Verhandlungen entschieden ab. „Unsere westlichen Partner wollen über das Ergebnis des politischen Prozesses in Syrien entscheiden, obwohl das eine Angelegenheit der Syrer ist“, sagte der stellvertretende russische Außenminister Gennadi Gatilow.

Bereits am Freitag hatten Außenminister Sergei Lawrow und seine US-Amtskollegin Hillary Clinton auch in mehrstündigen Gesprächen in Petersburg in dieser Frage keine Einigung erzielen können. Moskau werde „keinerlei von außen aufgezwungene Lösung des Syrienkonflikts zulassen“, unterstrich Lawrow vor Journalisten in Genf. Stattdessen machte er den Vorschlag, auf einer weiteren Konferenz in Moskau eine Lösung zu suchen. In Moskau sollten dann auch alle syrischen Konfliktparteien sowie der Iran als engster Verbündeter der Regierung in Damaskus teilnehmen. Westliche UN-Diplomaten meinten, der Vorschlag sei für die USA so gut wie unannehmbar. Die USA hatten mit ihrem Einspruch bereits verhindert, dass Iran zur Genfer Außenministerkonferenz eingeladen wurde.

Angesichts der Haltung Russlands und Chinas und um ein gänzliches Scheitern der Genfer Konferenz zu verhindern, wurde Annans Formulierungsvorschlag schließlich fallen gelassen. In dem Genfer Abschlussdokument heißt es stattdessen, „die Übergangsregierung aus Mitgliedern der derzeitigen Regierung und der Opposition“ solle „auf Basis beiderseitigen Einverständnisses gebildet werden“.

Im Klartext heißt das: Vertreter des Regimes – darunter möglicherweise Assad selbst – sollen im Einverständnis mit Vertretern der Opposition darüber entscheiden, ob der Präsident und andere Mitglieder des Regimes an einer künftigen Übergangsregierung und/oder an Verhandlungen über die Zukunft des Landes beteiligt sein sollen. Dieses Szenario scheint zumindest nach den bisherigen öffentlichen Festlegungen des Syrischen Nationalrates und anderer Oppositionsgruppen unvorstellbar.