heute in bremen
: „Mehr
Ve­ganer*in­nen sind gut“

Foto: Michael Fritschi

Urs Niggli

67, ist Agrarwissenschaftler und ehemaliger Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau FiBL.

Interview Pia Tönnissen

taz: Herr Niggli, ist der Ökolandbau die Lösung für steigende Bevölkerungszahlen, Hungerkrisen, Umweltzerstörung und Klimawandel?

Urs Niggli: Nein, das ist rein mathematisch gar nicht möglich, denn der Ökolandbau produziert zu wenig. Wenn der Fleischkonsum weiter so ansteigt, müssen wir mehr als 50 Prozent mehr Lebensmittel herstellen, um 2050 alle Menschen ernähren zu können. Außerdem werden zu viele Lebensmittel einfach weggeworfen. Der Klimawandel schadet der Landwirtschaft, denn es kommen immer wieder Katastrophen wie Trockenheit, Überschwemmungen dazu.

Wie stellen Sie sich die Landwirtschaft der Zukunft vor?

In Deutschland wird der Ökolandbau auf 25 Prozent wachsen, aktuell sind es rund zehn Prozent. Das ist gut so, denn Ökolandbau fördert die Bodenfruchtbarkeit und die Biodiversität. Die restlichen 75 Prozent konventioneller Landbau müssen stetig ökologisiert werden: Beispielsweise sollte der Einsatz von chemischen Pestiziden und Düngern stark reduziert werden. Bestimmte Praktiken der Biobauern sollen übernommen werden, zum Beispiel keine Monokulturen, der Anbau von eiweißreichen Hülsenfrüchten oder die Kreislaufwirtschaft mit den Nährstoffen. Damit würde die ganze Landwirtschaft umweltfreundlicher werden.

Alles bio und vegan – ist das die Lösung?

Vortrag und Diskussion „Landwirtschaft der Zukunft – Kann der Ökolandbau die Welt ernähren?“: 19.30 Uhr, Konsul-Hackfeld-Haus, Birkenstraße 34

Nein, das Klima würde noch mehr Schaden nehmen, wenn alles bio sein würde. Denn man braucht viel mehr Ackerflächen für ökologischen Landbau. Mehr Ve­ga­ne­r*in­nen sind gut – wenn alle vegan leben würden, wären die Gras- und Weideflächen aber nicht mehr nutzbar. Es ist sinnvoll, wenn man diese Flächen durch Tiere wie Kühe nutzt, die Gras verdauen können und Milch und Fleisch produzieren. Ackerflächen sollten allerdings direkt von Menschen genutzt und die Ernte nicht an Tiere verfüttert werden. Wir müssen ökologisch wirtschaften und den Verbrauch an Lebensmitteln konsequent senken und trotzdem mehr produzieren. Diese Herausforderung kann man nur lösen, wenn alles Wissen zur Landwirtschaft, das weltweit da ist, genutzt wird und die Wissenschaft Fortschritte einbringt.

Was können Ver­brau­che­r*in­nen tun?

Ver­brau­che­r*in­nen müssen an der Problemlösung beteiligt werden. Wir müssen den Fleischkonsum etwa halbieren und Lebensmittel einfach wegzuschmeißen, ist eine ökologische Katastrophe. Der Weg dahin, sich gesund zu ernähren, die natürliche Umwelt zu schonen und für alle genug Essen zu haben, ist ein und derselbe!