Ein Land, das Helden nötig hat

ZIVILCOURAGE Unakzeptable Zustände nicht hinnehmen – darum geht es beim taz Panter Preis

■  An diesem Wochenende ist es endlich so weit: In der Komischen Oper Berlin vergibt die taz am Samstagabend die Panter Preise 2009. Sechs KandidatInnen waren von der taz-internen Jury ausgewählt und in der taz ausführlich vorgestellt worden. Sie, also die LeserInnen der taz, waren aufgerufen, Ihren Favoriten oder Ihre Favoritin zu wählen. Rund 6.000 Stimmen – und erfreulich viele Spenden – sind seither eingegangen. ■  Inzwischen haben Sie und die siebenköpfige Jury, der unter anderem Bettina Böttinger und Rufus Beck angehörten, entschieden, wer die beiden mit je 5.000 Euro dotierten Preise bekommt. Wer das aber sein wird, erfahren auch die PreisträgerInnen erst am Samstagabend in Berlin – oder natürlich anschließend im Netz oder am Montag aus der taz.

■  Für die Gala, moderiert von Jörg Thadeusz und Bettina Rust und musikalisch untermalt von Maren Kroymann und Band, gibt es noch ein paar wenige Karten an der Abendkasse (Einlass 20.45 Uhr, Beginn 21 Uhr)

■  www.taz.de/panter

VON INES POHL

HeldInnen und Ehrenamt. Zwei Begriffe, die man aufs Erste nicht unbedingt mit dem Umfeld der tageszeitung, mit der taz, in Verbindung bringen würde, oder? Ehrenamt klingt irgendwie nach gestern, und wenn wir an Brechts warnende Worte denken, klingt die Rede von der Verehrung von Helden mindestens nach vorgestern: „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat!“

Die taz feiert an diesem Wochenende trotzdem HeldInnen. Mit einer großen Gala, Reden, viel Musik und sicher viel Applaus. Zum fünften Mal wird am Samstag in Berlin der Panter Preis an Männer und Frauen verliehen, die sich in ganz herausragender Weise für das Wohl der Gesellschaft einsetzen. Ist die taz damit aus der Zeit gefallen?

Die aktuellen Schlagzeilen zeugen vom Gegenteil. Am vergangenen Wochenende hat ein 50-jähriger Münchner für seinen Mut, seine Zivilcourage mit seinem Leben bezahlt. Er wurde umgebracht, weil er sich eingemischt hat, weil er sein eigenes Wohlergehen weniger wichtig genommen hat als das anderer. Weil er vier Teenager geschützt hat, ist er jetzt tot. Mein Kollege Stefan Kuzmany hat ihn im Kommentar als Helden bezeichnet, und er hat recht. Übrigens auch dann, wenn die Bild-Zeitung in diesem Fall das Gleiche schreibt.

Dabei sind die Unterschiede zwischen dem, was die taz, und dem, was die Meinungsmacher aus dem Hause Springer für Zivilcourage halten, ansonsten evident: Dass ein Mann auf einem Bahnsteig von Jugendlichen Schlägern totgeprügelt wird, ist letztlich nicht wirklich empörender als die Abschiebung von Flüchtlingen in eine Heimat, in der ihnen Folter droht oder die Verweigerung medizinischer Versorgung für illegalisierte Menschen in Deutschland. Zivilcourage, gelebte Menschlichkeit, Mut und Heldentum dürfen nicht darauf verkürzt werden, dass sich jemand mit Muskelkraft in eine Schlägerei stürzt oder mit lautem Gebrüll auf eine bedrohliche Situation aufmerksam macht.

Ohne ehrenamtliche Tätigkeit würden viele Bereiche unseres Lebens schon lange nicht mehr funktionieren

Unser Verständnis von Zivilcourage geht weit darüber hinaus. Der taz Panter Preis will aufmerksam machen auf die kleinen, unscheinbaren HeldInnentaten. Wir wollen die Menschen auszeichnen, die Zivilcourage zeigen, weil sie sich nicht mit Missständen abfinden, sondern gegen sie aufbegehren und, wo sie können, selbst Hilfen und Verbesserungen anbieten.

Die HeldInnen, die wir am Samstagabend mit dem Panter Preis auszeichnen, riskieren nicht ihr Leben. Aber sie geben unaufgefordert viel Kraft und Zeit, um einen Status quo zu verändern, den sie nicht zu akzeptieren bereit sind.

Der Begriff Ehrenamt mag, wie erwähnt, etwas aus der Mode gekommen sein. Aber in Wirklichkeit ist das, was neudeutsch gerne als bürgerschaftliches Engagement bezeichnet wird, nichts anderes als dies: Ehrenamtliches tun. Ohne diese unbezahlte Tätigkeit jenseits der privaten Sphären würden viele Bereiche unseres Lebens schon lange nicht mehr funktionieren. Das war schon vor der Finanzkrise so und wird durch sie weiter verschärft. Manche wollen uns glauben machen, die Krise wäre fast überstanden und bald sei alles wieder gut, doch diese Hoffnung ist trügerisch.

Zivilcourage darf nicht darauf verkürzt werden, dass sich jemand in eine Schlägerei stürzt

Die Zahl derer, die auf unmittelbare, auf ganz konkrete Hilfe anderer angewiesen sind, steigt. Durch die wirtschaftliche wie demografische Entwicklung, die sich ändernden gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien, weltweite Flüchtlingsbewegungen und viele andere Faktoren.

Die HeldInnen, die wir heute Abend auszeichnen, werden für ihren ganz konkreten Einsatz geehrt. Sie stehen aber auch stellvertretend für all die anderen, die unbemerkt und weit entfernt vom Scheinwerferlicht ihre ehrenamtliche Hilfe leisten.

Klar ist dabei, dass letztlich jeder nur selbst entscheiden kann, ab welchem Punkt er oder sie der Meinung ist, etwas tun zu müssen, um durch das Passivbleiben nicht mitschuldig zu werden. In der Münchner U-Bahn sollen 15 Menschen einfach zugesehen haben, wie ein Mann umgebracht wurde, ohne sich einzumischen. Täglich sind es Millionen, die die Augen verschließen, die wegschauen, weil ihnen das Elend zu viel ist oder weil sie vielleicht auch gar nicht wissen, wo anfangen und für welche Idee sie sich engagieren sollen. Die Panter Stiftung will mit ihrem Preis deshalb auch Mut machen, Kraft geben und den einen oder die andere anregen, sich einzumischen, mitzumachen, im kleinen Nachbarschaftsprojekt, in der unmittelbaren Umgebung, dort, wo die Hilfe direkt ankommt.

Die Autorin ist Chefredakteurin der taz