Arroyo verliert Rückhalt ihrer Minister

In den Philippinen sind gestern zehn Minister und hohe Beamte zurückgetreten. Sie fordern die skandalgeplagte Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo auf, es ihnen gleichzutun. Doch die Präsidentin versucht das bald Unausweichliche noch zu verhindern

VON NICOLA GLASS

Je länger Arroyo „unter einer Wolke von Zweifeln und Misstrauen“ im Amt bleibe, desto größer sei der wirtschaftliche Schaden für das Land, erklärten die zehn Minister und hohen Beamten gestern. Arroyo solle ihr Amt an ihren Vize Noli de Castro abgeben. Unter den Zurückgetretenen sind Finanzminister Cesar Purisima, Haushaltsministerin Emilia Boncodin und Handelsminister Juan Santos.

Noch am Vortag hatte die Präsidentin, die nach Vorwürfen von Wahlmanipulation und der Verwicklung ihrer Familie in illegale Glückspielsyndikate weiterhin einen Rücktritt ablehnt, das Kabinett ihrerseits zum Amtsverzicht aufgefordert: Sie wolle „freie Hand für wirtschaftliche und politische Reformen“ haben.

Der Druck auf die Präsidentin hatte sich verschärft, seitdem sie knapp zwei Wochen öffentlich zugegeben musste, nach Schließung der Wahllokale im Mai 2004 mit einem als käuflich geltendem Mitglied der Wahlkommission telefoniert zu haben. Zuvor war ein Telefonmitschnitt veröffentlicht worden, in dem eine Arroyo-ähnliche Frauenstimme fragt, ob ihr Vorsprung unter eine Million Wählerstimmen fallen könnte.

Gestern wurden Militär und Polizei in Alarmbereitschaft versetzt. Stabschef General Efren Abu rief das Militär jedoch auch auf, sich aus der Krise herauszuhalten. Zugleich erklärte er, die Armee werde friedliche Demonstrationen nicht stoppen. Seit Monaten halten sich vom Militär dementierte Gerüchte, Exoffiziere planten einen Putsch gegen Arroyo. Sicherheitsanalysten beobachten indes eine Spaltung innerhalb des Militärapparats: Während ranghöhere Vertreter den Status quo beibehalten wollten, drängten über Korruption und schlechte Ausstattung klagende jüngere Offiziere auf einen politischen Wechsel. Doch gerade diese Spaltung in den eigenen Reihen hält die Armee offenbar davon ab, sich aktiv einzuschalten.

Eine Umfrage zufolge fordern über 60 Prozent der Befragten Arroyos Rücktritt, doch bislang bleiben öffentliche Proteste relativ klein im Vergleich zu den Massendemonstrationen von 1986 und 2001, die den Diktator Ferdinand Marcos und Arroyos Vorgänger Joseph Estrada stürzten. Doch auch innerhalb der politischen und wirtschaftlichen Elite verliert Arroyo zunehmend an Rückhalt. Die bisher mit ihr verbündete Liberale Partei schloss sich den Rücktrittsforderungen ebenso an wie die als immer noch einflussreich geltende Expräsidentin Corazon Aquino. Der mächtige „Makati Business Club“ der Hauptstadt forderte ebenfalls Arroyo zum Amtsverzicht auf. Sollte auch die katholische Bischofskonferenz am Wochenende Arroyo die Unterstützung aufkündigen, dürfte das ihr politisches Ende bedeuten.