HAMBURGER SZENE VON DANIEL WIESE
: Wir Gentrifizierer

Seht euch das nochmal gut an, das gibt es nicht mehr lange“, sage ich zu meinen zwei Bekannten, die vor dem portugiesischen, von Türkinnen geführten Café am Alma-Wartenberg-Platz Galão trinken. Obdachlose humpeln über die Pflastersteine zu dem Urinal, das man extra für sie gebaut hat. Die Billigrestaurants stellen ihre Stühle raus, auch der Kartoffelladen ist noch da mit der menschengroßen Pappkartoffel vor der Tür.

„Wird ja alles weggentrifiziert, schaut euch bloß mal die Neubauten da an, das ist doch klar, wer da einzieht“, sage ich zu meinen Bekannten, die eine ist Architektin, die andere Übersetzerin, beide haben sie gerade kinderfrei wie ich auch. Der Mann in Arbeiter-Latzhose, der neben uns sitzt, räuspert sich. Schuld seien natürlich wir, sage ich, wir sind ja die Gentrifizierer, wir treiben die Mieten hoch. Der Mann in Arbeiterhose fährt herum. „Gut, das dir das auch mal auffällt“, schnaubt er, seit 20 Jahren wohne er hier, die ganze Scheiße mitbekommen habe er.

„Angefangen hat es mit den Studenten“, sage ich. „Nein, das waren die Lehrer“, sagt er, „die wollten es schick für ihre Kinder, genau wie ihr.“ Er knallt sein Glas hin und steigt wütend auf sein Lastenfahrrad. „Ach, irgendwann können wir uns das hier auch nicht mehr leisten“, sagt die Bekannte, die Architektin ist. Der Mann auf seinem Fahrrad kann das nicht mehr hören.