Osman Engin Die Coronachroniken: Die Corona-Psychoanalyse

Osman Engin ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Corona. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Meine Frau Eminanim ist heute Morgen richtig böse aufgewacht. Richtig schlimm! Überhaupt nicht zu vergleichen mit der schlechten Laune der vergangenen Corona-Lagerkoller-Wochen.

„Osman, du bist echt ein Schuft! Was war das denn für ein Benehmen heute Nacht?“, schimpft sie dementsprechend.

Heute Nacht? Nachts schlafe ich gewöhnlich.

„Es tut mir leid, habe ich wieder laut geschnarcht?“, entschuldige ich mich.

„Geschnarcht hast du nicht!“, zischt sie, was aber eher wie ein großer Vorwurf klingt.

„Oh, Gott sei Dank!“, freue ich mich trotzdem.

„Viel schlimmer!“ Wusste ich doch!

„Viel schlimmer als Schnarchen?“, frage ich neugierig. „Schlafwandle ich etwa neuerdings durchs Haus? Habe ich etwa dich aufgeweckt? Oder deine neue Vase zertreten?“

„Nein, du hast nicht schlafgewandelt. Du hast dich überhaupt nicht von der Stelle gerührt! Als ich dich dringend gebeten habe, mich zum Notarzt zu fahren, hast du mir den Rücken gekehrt!“

„Oh, es tut mir leid! Ich muss geschlafen haben wie ein Toter. Ich habe wirklich nichts gehört. Was hattest du denn?“

„Corona!“

„Waaaass? Du hast Corona?! Ich ruf sofort den Notarzt!“, brülle ich und schnappe mir meinen dicksten Mundschutz.

„Ich hatte heute Nacht Corona – jetzt nicht mehr!“

„Corona dauert doch nicht nur eine Nacht. Komm, zieh dich an. Beeil dich!“

„Ich hatte Corona in meinem Albtraum!“

„In deinem Traum nur? Du hast in Wirklichkeit kein Corona? Juppiiii, du bist doch gesund!“

„In meinem Traum war ich aber nicht gesund und das hast du genau gewusst, du Schuft, und hast dich trotzdem geweigert mich zum Krankenhaus zu fahren!“

„Vielleicht weil ich tief geschlafen habe“, versuche ich mich aus der Affäre zu ziehen.

„Ja! Während ich jämmerlich an Corona starb, schnarchte der Herr seelenruhig weiter.“

„Eben hatten wir Schnarchen doch ausgeschlossen!“

„Nur weil es nicht deine Hauptschuld war!“

„Aber trotzdem war das Ganze, wenn man es genau nimmt, bloß ein Traum – und zwar dein Traum! Du bist für dessen Inhalt selbst verantwortlich.“

„So leicht kommst du mir nicht davon! Hast du in deinem Leben nie Freud gelesen? Mein Traum versucht mir zu sagen, dass du tief in deinem Inneren willst, dass ich jämmerlich an Corona sterbe! Ja, Osman, das willst du! Leugnen ist zwecklos – lass es sein!“ Muss ich wohl – wenn Freud es gesagt hat.

Genau 20 Stunden später, mitten in der Nacht, wird Eminanim von zwei Sanitätern aus dem Bett gezerrt und im Nachthemd in den Krankenwagen verfrachtet.

„Eminanim, ich wollte sicher gehen und habe den Notarzt angerufen. Vielleicht sind deine nächtlichen Corona-Attacken chronisch geworden. Noch eine Nacht will ich auf keinen Fall untätig rumliegen!“