Hundert Prozent Luft

Frankfurter Buchmesse jetzt mit Sauerstoff

Literat im Nebel auf dem Weg zur Buchmesse Foto: Dunstfoto: reuters

Bald ist Herbst und wieder Buchmesse in Frankfurt am Main. Buchmesse aber bedeutet in erster Linie Buchmessenwahn. Der traditionelle Zustand aller Beteiligten ergibt sich durch Schlafmangel, Überfeierung, Verquasselung, Schweralkoholisierung, Bauchgrimmen, Massen an Gangschleichern, Tütenschleppern und Dumme-Fragen-Stellern, vor allem aber durch die berühmt-berüchtige schlechte, stickige, raue, warme, sauerstoffarme, ja den Atem zum Stocken bringende verbrauchte Luft in den heiligen Hallen der Literatur.

Der Buchmessenwahn ist ein sauerstofflich fundiertes Phänomen, das zur Buchmesse gehört wie die Bücher und das nur die besten Atemwegsbesitzer überleben können. Schon so manche asthmatisch röchelnden Dichter und Schriftsteller sind da auf der atmosphärischen Strecke geblieben und konnten nie wieder die Feder zum Tintenfass führen.

Doch jetzt soll alles anders werden. Denn für irgendetwas muss Corona ja gut sein. Und so meldete dpa gestern, dass mit einer Sondergenehmigung aufgrund der Pandemiebestimmungen täglich „25.000 Teilnehmer auf der Buchmesse erlaubt“ seien. Der Clou aber seien „100 Prozent Frischluftzufuhr in den Innenräumen“. 100 Prozent frische Luft?! Das wird einige altgediente Recken des Buchgeschäfts endgültig aus den literarischen Puschen hauen. So viel Sauerstoffzufuhr hatten sie zuletzt durch die Nabelschnur vor der Geburt.

Von alters her sind Bücherwürmer das modrige Klima ihrer ungelüfteten Schreibkammern und muffigen Bibliotheken gewöhnt. Und schon vor Jahren hatte das plötzliche Rauchverbot auf der Buchmesse für viele bedauernswerte Opfer mit Sauerstoffschock gesorgt. Nun könnte die Buchmesse 2021 die erste klimatisch gesunde ihrer Geschichte werden.

Die Welt des Buchs atmet zwar auf, aber stellt sich auch eine existentielle Frage: Wird sich trotz Sauerstoff der für die Buchmesse unerlässliche Buchmessenwahn einstellen? Müssen jetzt alle noch mehr trinken? Hoffentlich bleibt da im Herbst niemandem vor Schreck die Luft weg.