Gefährliche Logik
: KOMMENTAR VON KLAUS HILLENBRAND

In Deutschland macht sich dieser Tage große Erleichterung breit: Ein Glück, dass wir uns nicht am Krieg im Irak beteiligt haben! Denn andernfalls, so der Umkehrschluss, müssten wir mit derselben Bedrohung leben wie die Engländer heute oder die Spanier gestern. So aber ist ein Terroranschlag auf die Berliner U-Bahn zwar nicht gänzlich auszuschließen, aber doch wesentlich unwahrscheinlicher.

Eine solche Logik ist zynisch. Sie schiebt den Opfern von London eine Mitschuld zu, weil ihre Regierung am Krieg beteiligt ist. Und diese Logik ist gefährlich. Um den Irakkrieg geht es dabei am wenigsten. Die Argumentation bedeutet zugleich, dass sich ein Zurückweichen vor den islamistischen Terroristen in einer Art Friedensdividende auszahlt, die all jene erhalten, die sich an entsprechenden Aktionen nicht beteiligen. Legt euch nicht mit diesen Leuten an, dann habt ihr eure Ruhe! Aber ist es eine sinnvolle politische Strategie, gegenüber religiös motivierten Gewalttätern grundsätzlich den Kopf in den Sand zu stecken?

Der politische Islamismus ist durch Fehler der westlichen Industriestaaten großgezogen worden. Der Irakkrieg bleibt einer dieser furchtbaren Fehler. Doch die islamistische Bewegung ist zu einer Bedrohung für den Lebensstil geworden, der gemeinhin als westlich bezeichnet wird, mit seiner Liberalität, Freizügigkeit und der Trennung von Staat und Religion. Wer diese Grundwerte verteidigen will, kommt nicht darum herum, sich mit den mörderischen Protagonisten auch jenseits der Lektüre des Feuilletons auseinander zu setzen. Will heißen: Nur weil der Irakkrieg das Gegenteil dessen bewirkt, was seine Befürworter vorzugeben glauben – nämlich eine Bekämpfung des Terrorismus –, heißt das noch lange nicht, dass der Kampf gegen diesen Terrorismus per se unsinnig ist. Er ist im Gegenteil bitter nötig.

Es wäre fatal, aus der Ablehnung des Irakkriegs den Schluss zu ziehen, es sei besser, sich aus dem Kampf gegen den Terror herauszuhalten. Nicht jedes Risiko lässt sich vermeiden. Und es gibt Risiken, die es lohnt einzugehen. Oder soll sich etwa glücklich schätzen, wer keine Synagoge in der Nachbarschaft hat – weil das vor antisemitisch motivierten Anschlägen schützt?