Drogenfreiheit nur auf dem Papier

Senat kündigt für Januar 2006 Gründung eines bundesweit beispiellosen Forschungszentrums für Suchtfragen im Kindesalter an. Zwar ist noch völlig unklar, wie das Institut bezahlt wird, aber der Chef steht schon fest. GAL stellt Senatsanfragen

von Eva Weikert

Zur Bekämpfung von Drogensucht bei Kindern und Jugendlichen soll Hamburg ein bundesweit einzigartiges Forschungszentrum bekommen. Das hat der CDU-Senat schon lange versprochen, zuletzt Ende Juni, als er auf einer Pressekonferenz Maßnahmen zur „Stärkung der Familien“ vorstellte. Offiziell soll das „Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters“ in sechs Monaten eröffnen. Doch im städtischen Haushalt ist für die Einrichtung kein Geld eingestellt. Zudem hat die Gesundheitsbehörde bisher weder ein Konzept vorgelegt noch den Arbeitsauftrag konkretisiert. Der Chefsessel wurde derweil schon unter der Hand vergeben.

Der Plan eines auf Kinder und Jugendliche spezialisierten Suchtforschungsinstituts, den der Senat nach seiner Klausur zur Familienpolitik am 18. Juni als neue Hilfsmaßnahme feierte, ist ein alter Hut (siehe Kasten). Schon 2003 hatte die Gesundheitsbehörde die Einrichtung erstmals versprochen, „und der Senat müsste heute schamesrot darüber sein, dass sie immer noch nicht da ist“, kritisiert die GAL-Abgeordnete Katja Husen.

Die Grüne stellte seit 2003 vier Senats-Anfragen, um nachzubohren, wann und wie das Projekt realisiert wird. Ein solches Institut sei „äußerst spannend“, weil die Suchtforschung den Schwerpunkt Kinder und Jugendliche bundesweit eher vernachlässige. Doch auf Fragen nach Konzept, Umsetzung und Geldgebern antwortete der Senats stets, die Planungen seien „nicht abgeschlossen“ und zu „Einzelheiten der Vorbereitung seiner Entscheidungen“ nehme er nicht Stellung. Auch im Gesundheitsausschuss gebe es keinerlei Informationen, so Husen.

Zum Januar soll das Phantom nun starten, wie aus der Senatsantwort auf die jüngste GAL-Anfrage hervorgeht. Das Finanzvolumen belaufe sich auf 288.000 Euro jährlich, heißt es da. Dem UKE, an dem das Zentrum angesiedelt werden soll, würden zudem drei Jahre lang Mittel für vier Mitarbeiterstellen aus dem Haushalt überwiesen. Doch im Doppelhaushalt 2005/2006 ist die benötigte erste halbe Million nicht eingestellt.

Husen hält die Finanzplanung des Senats darum für „unseriös“. Über einen Nachtragshaushalt könnte die Finanzierung zwar gesichert werden, doch die Umsetzung ist unklar: Angepeilt werde eine „Mischfinanzierung aus Mitteln der Sozialbehörde, des Hochschulamtes und unserem Haus“, hält sich Hartmut Stienen, Sprecher der Gesundheitsbehörde, im Vagen. Welche Töpfe konkret aufgemacht würden und wer die Hauptlast trage, könne er nicht sagen. Sicher sei aber, „dass etwas anderes für das Institut nicht schließen muss“.

Das Einzige, was sonst noch feststeht, ist offenbar der Chef der Einrichtung: Laut Behörde soll Rainer Thomasius, Leiter der UKE-Drogenambulanz, sie anführen. Auf Fragen über Personalausstattung und Aufbau des neuen Hauses verweist die Behörde darum ans UKE. Thomasius wollte sich aber gegenüber der taz zum Jobangebot und den Zentrumsplänen nicht äußern.

Dass der Arzt der „Geeignetste“ für den Forscherposten ist, bezweifelt indes die GAL: Thomasius sei Praktiker, aber „kein erfahrener Drogenforscher“, so Husen, seine Studien seien „in Fachkreisen umstritten“. Auf Ausschreibung dürfe nicht verzichtet werden: „Für die Stelle muss man den Besten suchen.“