brief des tages
:

Folgen einer desaströsen Afghanistanpolitik

„Hauptsache, raus“, taz vom 18. 8. 21

Auf die Ereignisse in Kabul kann ich nur erschüttert bis wütend reagieren. Einstige Beschäftigte und Helfer vor Ort sind weitgehend von den Verantwortlichen im Stich gelassen – sprich verraten – worden. Was hier beispielhaft zum Ausdruck kommt, ist auf der Seite „unserer“ Verantwortlichen ein enormer Hang zu formelhaft-abstraktem Hinausschieben, das kaum jemals zu verantwortlichem, der Situation angebrachtem Handeln wird. Diese Unterlassungen, die sich jetzt im Fall der Ortskräfte bitter rächen, summieren sich: Zum einen ist es Naivität oder Unwille, sich in die Folgen einer de­sas­trö­sen Afghanistanpolitik konkret eindenken zu können, zum anderen das beabsichtigte und über zwei Jahrzehnte geübte Herunterspielen der Gefährdungssituationen afghanischer Menschen. Es resultiert eine erschütternde Unbeweglichkeit, mit dem Schlimmsten umzugehen und dabei Menschlichkeit und Empathie zu zeigen: Sie können es nicht. Die U. S. Air Force stopft 640 Menschen in einen einzigen Transporter und fliegt sie aus. Die Unsrigen sind schon zufrieden, wenn es nur sieben sind, mit denen dann ein Riesenflugzeug startet. Thomas Keller, Frankfurt