Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

„Holy Shit“, spukt es mir zu Beginn meines Gangs entlang der „Reise nach Jerusalem. Künstlerische Positionen zu Religion, Tradition und Tabu“ im Kunstraum Kreuzberg durch den Kopf. Blut, Leiden, Einsamkeit, wohin ich schaue. Nirgendwo wird ein Gott gefeiert, höchstens Todesmutig zelebriert. Wo sind bloß die hellen Momente, die Trost spenden könnten? Damals, bevor ich aus der protestantischen Kirche ausgetreten bin, gab es sie doch, oder? Was hat sich seit den späten Siebzigern geändert? Die zehn KünstlerInnen, die sich mit den drei wichtigsten monotheistischen Religionen, dem Christentum, Islam und Judentum und deren Ästhetiken beschäftigen, beziehen sich auf kunsthistorische Aspekte wie auf individuelle Einflüsse. Sie zeigen ganz deutlich die Gemeinsamkeiten, vor allem Opferbereitschaft und Faszination. Die Unterschiede sind meist dann zu erkennen, wenn ich etwas unwissend vor einem Bild, Foto oder Objekt stehe und sie nicht recht zu lesen weiß. Doch dann hilft eines: Gottvertrauen zur eigenen Fantasie und Halbwissen. Benyamin Reichs Leuchtkasten der Klagemauer ist allerdings schnell analysiert, so wie Rabi Georges Portraits eines jungen blutüberströmten Muslims. Jaja, die Katholiken und ihre Art, sich sich zu geißeln, sind nicht weniger absurd. Wenigstens spielt Stevie Hanley mit dem Bild der Höhle ungehemmt und übertritt so herkömmliches religiöses Grenzgebiet. Es gibt noch viel mehr zu entdecken. Aber ich bin froh, die Ausstellung hinter mir zu lassen. Vielleicht auch, weil ich, die in einem naturwissenschaftlichen Umfeld sozialisiert wurde und mich immer noch gegen jeglichen menschenverachtenden Wahn wehre, einfach nicht mehr kann, ohne zynisch zu werden. Das muss nicht sein. Was mir aber fehlt, sind eindeutig aktuelle Bezüge. Im Dezember wird die Ausstellung im Jerusalem Artists’ House gezeigt.

■ Reise nach Jerusalem. Werke von Trudy Dahan, Nezaket Ekici, Pavel Feinstein, Zohar Fraiman, Rabi Georges, Stevie Hanley, Ervil Jovkovic, Yury Kharchenko, Iwajla klinke, Benyamin Reich; bis 19. 8., tgl. 12–18 Uhr; Künstlergespräch moderiert von Stéphane Bauer, 26.r7., 19 Uhr: Mariannenplatz 2