Nordkoreas Führung will wieder reden

Die nächste Runde der Sechsergespräche über das Atomprogramm soll in einer Woche wiederaufgenommen werden. US-Außenministerin Rice mahnt Fortschritte an. Doch vor fünf Monaten hat sich der Kim-Staat zur Atommacht erklärt

PEKING taz ■ Früher nannte er ihn einen Diktator. Neuerdings, so berichtet die Washington Post, spreche US-Präsident George W. Bush vom nordkoreanischen Regimechef Kim Jong-Il höflich als „Mister Kim“. Das hat sich anscheinend bezahlt gemacht. Denn Nordkorea will wieder in die Sechsergespräche mit den USA, China, Japan, Russland und Süd-Korea einsteigen, um über die „Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel“ zu verhandeln. Das gaben Vertreter Nordkoreas und der USA am Samstag in Peking bekannt.

Zuvor hatte das höchste offizielle Treffen beider Seiten seit über einem Jahr bei einem chinesischen Abendessen stattgefunden. Der teilnehmende US-Vizeaußenminister Christopher Hill sprach anschließend von einer „gesitteten“ Gesprächsatmosphäre und der Übereinkunft beider Seiten, „Rededuelle“ in Zukunft zu unterlassen. Damit lobte Hill indirekt seinen Präsidenten, der jetzt „Mister Kim“ sagt und damit das Rededuell über die Frage beendete, ob Kim ein Diktator sei. Zugleich galt das Lob auch für seine direkte Vorgesetzte, Außenministerin Condoleezza Rice, die Nordkorea einen „Außenposten der Tyrannei“ genannt hatte und das jetzt nicht mehr tut. Denn sonst wäre das Rededuell weitergegangen. Nordkorea hatte für weitere Gespräche zur Bedingung gemacht, dass Rice ihre Aussage nicht wiederholt. Trotzdem wird bei der nächsten für den 25. Juli angesetzten Sechserrunde alles so aussehen, als habe die US-Außenpolitik einen diplomatischen Sieg errungen. Schließlich hatte Washington bereits mehrmals gedroht, den Fall Nordkorea vor den Weltsicherheitsrat zu bringen, falls sich Diktator Kim weiter Gesprächen widersetzen würde. So weit aber will Kim es nicht kommen lassen, weil dann sein Hauptverbündeter China vor der Wahl stehen könnte, sich für die eine oder andere Seite entscheiden zu müssen.

Das wird nun nicht nötig sein. Vielmehr darf sich auch die chinesische Regierung des Erfolgs rühmen, wenn sich zum vierten Mal innerhalb von zwei Jahren die Streithähne in Peking an einem Tisch versammeln. Dass die ersten drei Treffen ergebnislos verstrichen, scheint dabei niemandem aufzufallen. Alle westlichen Regierungen haben Peking bereits für seine Vermittlungsbemühungen in der Nordkorea-Frage gepriesen.

Dieses Lob wiederholte Außenministerin Rice, als sie gestern zu einem Arbeitsbesuch in Peking eintraf. Gleichwohl betonte sie: „Der Knackpunkt ist jetzt, bei den Gesprächen Fortschritte zu erzielen.“ Aber wie das? Laut US-Geheimdienstangaben ist es Nordkorea gelungen, während der zwei Jahre, seit die Sechsergespräche laufen, seine Vorräte an waffentauglichen Plutonium zu vervierfachen. Auch erklärte sich Nordkorea vor fünf Monaten offiziell zum Atomwaffenstaat. Glaubt man in Washington ernsthaft, Kim noch einmal davon abbringen zu können?

Es geht wohl eher um die Wahrung gesitteter diplomatischer Formen, wie Hill durchblicken ließ. China und Südkorea setzten längst auf ökonomische Reformen im Kim-Reich. Gegen China und Südkorea aber läuft jede amerikanische Nordkorea-Politik ins Leere. GEORG BLUME