Ein Pfannkuchen läuft Amok

Der Fernsehpriester Peter Hahne macht den Bildungshuber und ermahnt die Deutschen

Hahnes Welt ist eine Welt der konfektionierten Klemmis und sauberen Nervensägen

Jeder kennt ihn, den grinsenden Pfannkuchen aus dem Berliner Hauptstadtstudio des ZDF. Peter Hahne kommentiert die Regierungspolitik, das heißt: Er tut so, als würde er etwas Interessantes mitzuteilen haben, woran sich jedoch nach fünf Minuten bereits niemand mehr erinnert. Dafür erhielt er im Jahr 2000 den „Goldenen Gong für herausragende Hauptstadtberichterstattung“. Außerdem ist er Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland und seit 2002 „Ehrenkommissar der bayerischen Polizei“.

Aber diese Tätigkeiten sind für einen Mann seines Formats nicht ausfüllend. Vor allem macht der sprechende Pfannkuchen Schreibschreib, und zwar jede Menge Bücher voll, inzwischen weit über 50 Geschenkbücher, „Trostbriefe“, „Worte zum Geburtstag“, „Weihnachtswünsche“, Bücher mit Titeln wie „Auf den Wegen des Lebens geborgen“, „Auf den Wegen des Lebens gesegnet, „Auf den Wegen des Lebens getröstet“, alles tief schürfende Gedanken aus dem Zeitalter des Gelsenkirchener Barocks.

Hahne kann zwar nicht schreiben, aber: die Ambition, die Ambition – kennt kein Pardon. Und diese Ambition hat ihn zu einer Moralpredigt getrieben, die uns unter dem Titel „Schluß mit lustig. Das Ende der Spaßgesellschaft“ einen Einblick in die Gedankenwelt Peter Hahnes gibt und zeigt, wie es um die deutsche Gesellschaft bestellt ist, die solch eine moralkonservative Erbauungsschrift an die Spitze der Bestsellerlisten befördert hat.

Zunächst wird ein Schreckensszenario entworfen, der „Höllenschlund in Manhattan“, und „exakt 911 Tage nach dem Inferno“ die Anschläge von Madrid. „Selbst besonnene Zeitgenossen gruseln sich ob der Zahlenmystik“, denn in der amerikanischen Schreibweise fielen die Türme am 9/11 zusammen. Zu glauben, „wir blieben verschont … erweist sich als naive Illusion“, raunt Hahne weiter. Folge: „Die Schalmeien der Multikulti-Folklore sind verstummt.“ Na ist doch schön, möchte man sagen. Dann ist doch erreicht, was Hahne wollte. Andererseits wäre das Buch dann schon nach 15 Seiten zu Ende.

Stattdessen arbeitet Hahne alles ab, was im Laufe der Zeit an Säuen durchs Dorf getrieben wurde. Die „Pisa-Katastrophe“ ist ganz besonders schlimm, dabei lässt sie sich „mit einem schlichten Rezept bekämpfen“: „Die Autorität der Lehrer und Ausbilder muß wieder hergestellt werden.“ Und was gar nicht geht: „Mit T-Shirt und Turnschuhen … hinter einen Bankschalter.“ „Alles Probleme“, astet Hahne weiter durchs dichte Problemgestrüpp Deutschland, „die nicht vom Himmel gefallen sind.“ Es sind gerade diese präzisen Analysen, die das deutsche Bildungsbürgertum aufhorchen lassen.

Besonders empörend findet Hahne: „Bereits die ersten Zeitungsausgaben im neuen Jahr laden uns mit hübschen Schaubildern zu herrlichen Feiertagsbrücken ein, an denen man mit wenig Urlaubstagen viel Freizeit herausschinden kann.“ Gerade die Jungen gehen zehnmal häufiger zum Arzt als die Alten, und das wegen „Bagatellen“. Und wer ist schuld? Die 68er. Früher waren sie der „Mob auf der Straße“, heute sitzen die „geistigen Rädelsführer“ in „Schlüsselpositionen“. Auch wenn es der Ehre zu viel ist, aber Hahne macht die 68er für die „Spaßgesellschaft“ verantwortlich. „Die Freizeitgesellschaft hat im wahrsten Wortsinn etwas Tödliches. Wir verlängern krampfhaft unser Leben, verspielen jedoch die Zukunft.“ Ah ja! Wenn das so weitergeht, wird „Deutschland im Jahr 2050 rund 12 Millionen Menschen verloren haben. Das sind mehr als die Gefallenen aller Länder im Ersten Weltkrieg.“ Schon heute würden „deutsche Hersteller von Kindernahrung ihre Produktion auf Diätkost für Senioren umstellen“.

So mäandert die ranzige Ermahnungs- und Empörungsprosa sinn- und zusammenhangslos auf 143 sensationell schlecht geschriebenen Seiten hin und her. Durch das Suppenküchentraktat wabern reichlich Begriffe wie Autorität, Ehre, Unser Land, Anstand, Sitte, Manieren. Hahne breitet den ganzen streng riechenden Moral- und Kulturkodex aus wilhelminischer Zeit noch einmal aus und verkauft die angegammelten Reliquien als Rückkehr zu notwendigen Werten, um die Gesellschaft zu retten. Logisch.

„In unserer Familie herrscht total Kultur. Wir beten vor dem Essen. Jeder hat eine Serviette. Es wird beim Essen nicht ferngesehen, wie das Unkultivierte tun“, zitiert Hahne einen 12-jährigen Schüler hoffnungsfroh. Und man weiß angesichts dieses Vorbilds: Hahnes Welt ist eine Welt der konfektionierten Klemmis und sauberen Nervensägen, der ungebetenen Heilsbringer und aufdringlichen Propheten. Würde die „Kultur“ Hahnes tatsächlich „total“ werden und eine Renaissance erleben, wäre es höchste Zeit, sich eine P38 oder auch ein größeres Kaliber zu besorgen, um diese „filthy little creeps“, wie Hunter S. Thompson sie nennen würde, auf Distanz zu halten. KLAUS BITTERMANN