Schief in die Welt gekippt

Unverhoffte Einbrüche in eine ohnehin schon merkwürdig belastete Wirklichkeit: „Hundskopf“, der erste Erzählband der Theaterautorin Dea Loher

Johann ist ein Schwellensteher, Vladimir liebt elf Eisbären und Ritchie stellt sich einen Hundeschädel auf den Schreibtisch. René hat Angst vor seinem Glasauge. Mink lebt aus dem Kofferraum seines Autos und ist unglücklich verliebt in eine ehemalige Juristin, die in Szenebars lesbische Bühnenspielchen treibt. Dann gibt es noch einen Alten, der seine Tochter bei gleißendem Sonnenschein einen Alpengletscher hinaufgetrieben hat, wodurch sie sich das ganze Gesicht verbrannt hat. Unterm Strich kommt das männliche Personal in Dea Lohers Erzählband „Hundskopf“ nicht gut weg.

In den acht Geschichten ihres Prosadebüts erzählt die als Theaterautorin bekannte Dea Loher von unverhofften Einbrüchen in eine ohnehin schon merkwürdige, belastete Wirklichkeit; Frauen sind in diesem Minidramen dabei fast immer die Leidtragenden. Sie werden allein gelassen, begrapscht, verraten, nicht ernst genommen. In der Erzählung „Agnes“ sagt die Erzählerin über ihre dralle, etwas wunderliche Tante Agnes: „Wie waren beide schief in die Welt gekippt worden, und die Welt würde nie mehr gerade sein.“

Das gilt für fast alle weiblichen Figuren des Bandes. Lohers Interesse gilt offenbar jenen fragilen Situationen, an denen sich ganz plötzlich Konstellationen verändern. Das kann auch heißen, dass sie unversehens transparent werden – auch und gerade in ihrer Ausweglosigkeit.

Manchmal, wie in der Titelgeschichte, wünschte man der Autorin noch mehr Mut zu einer kompromissloseren Handlungsführung und zu einer härteren Sprache, die ohne Kommentare und allzu deutliche Moral auskommt. Denn der Stoff, aus dem diese Texte gemacht sind, ist tragfähig genug. Manches löst sich auch im Vagen oder gar im Kalauer auf, wie in „Das Auge“, wo es am Ende heißt: „Wir werden uns hoffentlich noch öfter sehen.“ Als Leser wünscht man sich jedenfalls der Autorin wieder zu begegnen, allen kleinen Einwänden zum Trotz.

THOMAS KRAFT

Dea Loher: „Hundskopf“. Erzählungen. Wallstein Verlag, Göttingen 2005, 116 Seiten, 16 €