Milieuschutz wirkt nicht immer

Seit 2015 wurden mehr als 70.000 Wohnungen umgewandelt, meist außerhalb der Milieuschutzgebiete

Mit Milieuschutzgebieten ist es wie mit Corona-Impfungen. Sie schützen zwar nicht hundertprozentig, aber ohne sie wäre die Gefahr deutlich größer. Das geht aus einer Anfrage hervor, die die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen bereits vor einem Jahr beantwortet hat. Sie ist bislang die letzte dieser Art.

Demnach wurden von 2015 bis 2019 in Berlin 72.629 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt. Von diesen aber lagen nur 18.382 in sozialen Erhaltungsgebieten, wie Milieuschutzgebiete offiziell heißen.

Zum Zeitpunkt der Antwort auf die Antwort hatte Berlin 58 Milieuschutzgebiete. Inzwischen ist die Zahl auf 69 gestiegen. Die meisten von ihnen liegen in Pankow (13), gefolgt von Mitte (12), Friedrichshain-Kreuzberg (11) und Neukölln (10).

Eine Million geschützt

Die wenigsten Milieuschutzgebiete gibt es in Reinickendorf (1), Lichtenberg (2) und Treptow-Köpenick (8). Marzahn-Hellersdorf und Steglitz-Zehlendorf haben keine Milieuschutzgebiete. Insgesamt unterliegen 565.236 Wohnungen in Berlin einer Milieuschutzverordnung. Geschützt sind damit 1.063.175 Berlinerinnen und Berliner.

Oder eben nur teilweise geschützt. Auch das geht aus der Antwort von Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) in seiner Antwort auf die Anfrage von Gabriele Gottwald (ebenfalls Linke) vom 7. August 2020 hervor. Zwar wirke sich die 2015 eingeführte Umwandlungsverordnung des Senats, demzufolge Umwandlungen in sozialen Erhaltungsgebieten genehmigungspflichtig sind, „nachweislich dämpfend auf das Umwandlungsgeschehen“ aus.

Allerdings gibt es nach wie vor ein Schlupfloch für Eigentümer, das besagt, dass eine Genehmigung erfolgen muss, wenn sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren die umgewandelte Wohnung nur an die bisherigen Mieter zu verkaufen.

97,4 Prozent aller genehmigten Umwandlungen geht auf dieses Schlupfloch zurück, das der grüne Baustadtrat von Neukölln, Jochen Biedermann, mal ein Scheunentor nannte. Vor allem in Pankow hat ihre Zahl zugenommen – von 589 im Jahr 2015 auf 1.410 im Jahre 2019. Neuere Zahlen gibt es bislang nicht.

Alle Initiativen des Senats, im Bundesrat dieses Tor zu schließen, sind bisher gescheitert. Auch der Referentenentwurf des Bundesbauministeriums zur Baugesetznovelle 2020 lässt das Schlupfloch offen, heißt es in der Antwort von Senator Sebastian Scheel.

Dabei geht aus den dem Senat vorliegenden Zahlen auch hervor, dass der Ausnahmetatbestand, zunächst nur an die Mieterinnen und Mieter zu verkaufen, alles andere als sozial ist. Denn nur 0,3 Prozent der Mieter haben dieses Angebot von 2015 bis 2019 in Anspruch ge­nommen. Uwe Rada