LESERINNENBRIEFE
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Freiheit im Hamsterrad

■ betr.: „Feminismus. Alles auf Anfang“, taz vom 3. 7. 12

Diese amerikanische Debatte über Freiheit bestätigt mir einmal mehr, dass dies ein Volk ist, das ich nicht verstehe. Was ist das denn für eine Freiheit, in einem Hamsterrad zu arbeiten, ohne dass man seine Individualität, wozu Freizeit, Hobby und Familie gehört, pflegen kann? Freiheit ist für mich, wenn ich entscheiden kann, wann für mich genug ist. Und genau das hat Anne-Marie Slaughter gemacht. Der Titel ihres Buches ist für mich missverständlich. Denn eigentlich hat sie ja alles. Auch ihre Karriere hatte sie. Wer sagt denn, dass diese mit dem Tod enden muss? Oder wie ist es mit den zwei Leben? Man gibt die eine Karriere auf und fängt in fünf Jahren eine neue an? Sind die Amis so fantasielos? Und die Feministinnen? Was ist Luxus in unserer schnelllebigen Welt? Viel Geld oder viel Zeit? Zeit mit Kindern, mit den betagten Eltern, mit Freunden, für einen selbst? Von wie vielen Menschen höre ich immer, wie viel Stress sie haben, wofür sie keine Zeit haben, dass sie ausgelaugt sind, Medikamente nehmen…

Wer sagt denn, dass die Männer alles bekommen? Wenn ihr sie fragen würdet, würde vielen was fehlen. Aber es fragt sie keiner.

Und noch ein Wort zur Feminismusdebatte: Wenn eine Frau voll berufstätig ist, sollte sie dazu stehen. Das schlechte Gewissen stört das Familiengefüge viel mehr als die Tatsache, dass die Eltern oder Alleinerziehende nicht so viel Zeit haben/hat. Wenn die Kinder wissen, wieso das so ist, und die Mutter oder Eltern dazu stehen, können die Kinder es viel eher akzeptieren, als wenn sie das Gefühl haben, die Eltern/Mutter sind/ist erpressbar wegen schlechten Gewissens.

MONIKA BECK-WEIGAND, Friedberg

Murks bleibt Murks

■ betr.: „Das Grundwasser behindert Bauarbeiten bei Stuttgart 21“, taz vom 4. 7. 12

Wie viele Menschen umfasst nach Ihrer Terminologie ein „Häuflein“: 20 oder 200 oder 2.000? In Anbetracht der gravierenden Mängel beim „bestgeplanten Bahnprojekt“ gilt weiterhin die Erkenntnis: Murks bleibt Murks. Bitte etwas mehr Respekt vor einer informierten Öffentlichkeit! SUSANNE BOCHÉ, Stuttgart

Beschneidung ist Körperverletzung

■ betr.: „Die Beschneider reiben sich die Hände“, taz vom 3. 7. 12

Ja, eine Beschneidung ist eine Körperverletzung, ja, Ohrlöcherstechen bei Babys in Spanien auch. Jede Maßnahme, die intakte Haut durchtrennt, ist eine Körperverletzung. Als Ärzten ist es uns erlaubt, Körperverletzungen durchzuführen, wenn sie einen Zweck haben, der den Menschen gesund erhält.

Und dem der Mensch zustimmt, dessen Körper verletzt wird. Bei Kindern und anderen nicht zustimmungsfähigen Menschen muss der Grund (medizinisch die Indikation) der Körperverletzung sehr genau festgestellt und gegen Risiken abgewogen werden.

Als Narkoseärztin weiß ich, dass kleine Jungen durch die Beschneidung eine Menge Schmerzen erleiden. Ich kann nicht beurteilen, ob der Schmerz beim Erwachsenen mehr oder weniger stark ist. Dass Eltern ihren Kindern diesen Schmerz zumuten, konnte ich noch nie verstehen. Mein Wunsch ist eine Welt, in der Männer und Frauen ihren Glauben selbst bestimmen und nicht (in beiden Geschlechtern) wegen eines Stückchens Haut zu viel oder zu wenig diskriminiert werden. HANNA LUDWIG, Wuppertal

Kompromiss statt Verbot

■ betr.: „Die Beschneider reiben sich die Hände“, taz vom 3. 7. 12

Jahrelang haben GegnerInnen der weiblichen Genitalverstümmelung gegen die Gleichsetzung dieser religiös nicht zu rechtfertigenden und lebensbedrohlichen Körperverletzung und der – so sie unter hygienisch und anästhetisch einwandfreien Bedingungen durchgeführt wird – komplikationsarmen und religiös hoch bedeutsamen Vorhautbeschneidung argumentiert.

Im Grunde geht es den GegnerInnen der Zirkumzision hier nicht um die Operation an sich, sondern um die weltanschauliche Einflussnahme der Eltern. AtheistInnen reflektieren dabei nicht, dass auch sie ihre Kinder weltanschaulich manipulieren – das nennt man Erziehung. Vermutlich hat die Schulwahl weitaus mehr Einfluss auf den weiteren Lebensweg eines Kindes als der Verlust der Vorhaut im Säuglingsalter.

Also: Lasst Synagoge/Kirche/Moschee im Dorf. Ziel muss ein tragfähiger Kompromiss sein, zum Beispiel das Verbot von Laienbeschneidern und eine gesetzliche Regelung, die Beschneidungen als zwingend fachärztliche Tätigkeit definiert, wie es bei Vorhautverengungen auch der Fall ist. ANJA PETERS, Neubrandenburg

Alles legalisieren?

■ betr.: „Die Beschneider reiben sich die Hände“, taz vom 3. 7. 12

Klar, wir müssen das erlauben, dass Jungs beschnitten werden, sonst machen es Pfuscher. Deshalb sollten wir auch die Mafia legalisieren, sonst werden Auftragsmorde nur noch von Laien durchgeführt, und die machen das womöglich falsch, und dann ist das Opfer nur schwer verletzt, aber nicht tot. Und wir sollten auch die weibliche Beschneidung legalisieren, weil das ja auch immer wieder falsch gemacht wird und die Mädels verbluten.

Wir sollten alles legalisieren, was wir nicht haben wollen. Weil die Leute machen es doch sowieso und dann womöglich falsch …

ANITA, taz.de