„Ich hoffe noch auf einen Neuanfang“

Der ehemalige Abgeordnete Peter Conradi lässt aus Kritik an der unsozialen Politik seine SPD-Mitgliedschaft ruhen

taz: Herr Conradi, Sie lassen Ihre Mitgliedschaft in der SPD ruhen. Warum?

Peter Conradi: Ich wollte ein Zeichen setzen, weil ich diese unsoziale Wirtschafts- und Steuerpolitik der rot-grünen Bundesregierung nicht mehr mittragen kann. Mit dieser Politik hat die Bundesregierung Kernziele sozialdemokratischer Politik verfehlt: die Senkung der Arbeitslosigkeit und soziale Gerechtigkeit.

Diese Politik betreibt Rot-Grün schon lange. Warum gehen Sie erst jetzt auf Distanz?

Ich mache mir und der Partei den Vorwurf, dass wir viel zu lange zugesehen haben. Im März war es dann bei mir so weit, dass ich dachte: Schluss, jetzt reicht es. Da habe ich der Partei meinen Entschluss bereits mitgeteilt.

Sie haben Ihre Partei bereits in den späten Achtzigerjahren davor gewarnt, dass sie zum „Wahlverein“ verkomme …

Ja, damals wurde aber wenigstens noch diskutiert. Das Wahlprogramm 2005 ist einfach verkündet worden, das ist unwürdig für eine demokratische Partei.

Warum treten Sie nicht aus?

Ich habe noch immer die Hoffnung, dass die SPD die Kraft zu einem Neubeginn hat. Dazu müsste endlich über Alternativen zur jetzigen Politik diskutiert werden. Wir brauchen eine vernünftige Mischung aus Angebots- und Nachfragepolitik und ich hoffe, dass die SPD auch einen personellen Neubeginn wagt.

Wie könnte der aussehen?

Ich halte dieses ganze Manöver, über eine Vertrauensfrage zu Neuwahlen zu kommen, für falsch. Wenn die SPD Neuwahlen will, dann hätte der Bundeskanzler zurücktreten müssen. Dann hätte es vielleicht zum jetzigen Kurs eine Alternative gegeben. Ich will keine Fortsetzung der neoliberalen Politik von Gerhard Schröder und Wolfgang Clement.

Kleine Zugeständnisse an Ihre Position hat die SPD in ihrem Wahlprogramm gemacht: Zum Beispiel wird das Arbeitslosengeld II im Osten auf Westniveau angeglichen.

Dazu wäre in den letzten Jahren genug Zeit gewesen. Ich habe wenig Vertrauen, dass eine SPD-geführte Regierung – die nicht sehr wahrscheinlich ist – dieses Programm umsetzen würde.

Könnte die neue Linkspartei eine Alternative für Sie sein?

Nein. Ich habe keine Rachegefühle gegenüber der SPD wie Lafontaine und Maurer und ich will auch nichts mehr werden. Vor allem aber ist mir diese Partei inhaltlich zu altbacken wohlfahrtsstaatlich, das führt nicht nach vorn. Ich will nicht zurück in die 70er- oder 80er-Jahre.

Sie wollen die Grünen wählen. Die stehen aber auch für das, was Sie als neoliberal kritisieren.

Ja, deshalb kommt von mir auch keine jubelnde Zustimmung. Ich finde aber, die Grünen haben in ihren Gebieten – Außenpolitik, Umwelt- und Verbraucherpolitik – gute Arbeit geleistet. Natürlich gibt es bei den Grünen auch neoliberale Tendenzen, aber die Art und Weise, wie sie zum Beispiel Oswald Metzger, der ja eigentlich in die FDP gehört, von der Liste heruntergeholt haben, das war ein ermutigendes Zeichen. INTERVIEW: SABINE AM ORDE