KOMMENTAR: GERNOT KNÖDLER ÜBER DIE ELBVERTIEFUNG
: Die Grenze der Belastbarkeit

Senat und Hafenwirtschaft können sich die Vertiefung für dieses Jahr abschminken

Die Chancen der Umweltverbände, eine Elbvertiefung zu stoppen, sind so groß wie nie zuvor. Anders als bei den vorangegangenen „Fahrrinnenanpassungen“ haben sie ein Klagerecht, mit dem sie direkt gegen das Projekt vorgehen können. Außerdem hat schon die letzte Vertiefung 1999 den Strom in einer Weise verändert, der nicht nur den Wasserbauingenieuren Angst und Bange macht.

Wir kennen das aus der Chaostheorie: Systeme können sich innerhalb eines gewissen Spielraums verändern und dabei stabil bleiben. Befinden sie sich kurz vor einer solchen Grenze, genügt eine Kleinigkeit, um sie umschlagen zu lassen. Nach der letzten Vertiefung ist so ein Phänomen bereits aufgetreten, weil der stärkere Tidenstrom mehr Sediment elbaufwärts transportiert hat als abwärts. Als Folge vervielfachte sich die Arbeit der Unterhaltungsbaggerei.

Auch den Leuten hinterm Deich sind Veränderungen aufgefallen. So hat sich das Watt bei Otterndorf deutlich verkleinert. Wenn das so weitergeht, wird die Elbe den Deich anfressen. Die Obstbauern im Alten Land befürchten, dass sich die Brackwasserzone verschiebt und ihr Wasser versalzt – was auch Folgen für bestimmte Fische hätte.

Unter Berufung auf das Verschlechterungsverbot für Gewässer wollen die Verbände bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ziehen. Senat und Hafenwirtschaft können sich die Vertiefung für dieses Jahr schon mal abschminken.