wortwechsel: Afghanistan stirbt. Seit Jahrzehnten.
„Nach Afghanistan kommt Gott nur noch zum Weinen“, schrieb 2001 die Filmemacherin Siba Shakib. Unzählige Kriege verstümmelten das Land. Was hinterlässt nun die Bundeswehr?
„Man nennt das Niederlage“,
taz vom 3. 7. 21
„Hoffnungsinseln“?
Im Interview mit Herrn Nachtwei wird die Frage gestellt: „Bei allen verfehlten Zielen: Was ist heute gut in Afghanistan?“ Seine Antwort darauf ist beeindruckend: Die Gesellschaft habe sich doch in Teilen erheblich geändert. Er spricht von Projekten als Hoffnungsinseln, die es trotz alledem in Afghanistan gibt. Wie wahr! Denn es darf nicht unerwähnt bleiben, dass mithilfe nicht nur von großen internationalen, sondern auch mit kleineren NGOs Bildungslandschaften aufgebaut wurden, die von der Bevölkerung getragen und vom örtlichen Klerus akzeptiert werden.
Mithilfe von afghanischen Partnern dieser Organisationen vor Ort, engagierten LehrerInnen und bildungshungrigen SchülerInnen sind diese „Hoffnungsinseln“ geschaffen worden. Jungen und besonders Mädchen wurden gefördert, konnten ihre Schulbildung beenden und fanden Jobs, mit denen sie auch ihre Familien unterstützen.
Durch diese Unterstützung von außen hat die Bevölkerung mit ihrem Willen zur Bildung und mit viel Eigeninitiative einen großen Anteil an diesen Bildungslandschaften in meist abgelegenen Gebieten. Sie hat etwas geschaffen, was eigentlich die Aufgabe der afghanischen Regierung ist. Durch den Abzug der internationalen Kräfte besteht die Gefahr, dass die zivile internationale Hilfe ebenfalls heruntergefahren wird. Diese wertvollen Errungenschaften sind dann gefährdet, wenn die Bundesregierung sich nicht dazu durchringt, endlich auch diese kleinen und mittleren, aber sehr erfolgreichen „Hoffnungsinseln“ ohne die bisherigen hohen bürokratischen Hürden zu fördern. Das sind wir Afghanistan nach über fast 20 Jahren „Einsatz“ mehr als schuldig.
Irmela Falke, Alsbach
Nibelungentreue?
Die ganze Sache war von vornherein eine Farce, eine konstruierte Aktion der USA nach 9/11, denn Afghanistan hatte mit dem Terrornetzwerk al-Qaida nur bedingt zu tun, weil sich im Land zwar Leute wie Bin Laden aufhielten, aber Terror in den USA ging von saudischen Fundamentalisten aus, nicht von religiösen Fanatikern wie den Taliban.
Wir, Deutschland und die Nato, sind dort Erfüllungsgehilfen der USA geworden und ziehen nun wieder mit ihnen ab – Nibelungentreue nennt man das, oder?
Sven Jösting, Hamburg
Es war vorhersehbar
Die Nato erklärte Mitte April, dass sie ihre Soldaten aus Afghanistan abziehen werde. Schon die Supermacht Sowjetunion war mit ihrer militärischen Intervention – zur Unterstützung der afghanischen Kommunisten – im gebirgigen Afghanistan gescheitert. Nach 10-jährigem Krieg kam die Sowjetunion 1989 zu dem Schluss, dass der Kampf in Afghanistan nicht zu gewinnen sei und zog ihre Truppen ab.
15.000 Rotarmisten verloren in Afghanistan ihr Leben.
Eigentlich hätte dies Amerikanern und Europäern eine Warnung sein müssen. Der Einmarsch der Amerikaner in Afghanistan war ein nicht zu Ende gedachter Schnellschuss als Reaktion auf den Terrorakt der Islamisten in New York. Deutschland und einige andere westliche Länder sind einfach gedankenlos mitmarschiert. Fazit nach zwanzig Jahren Krieg in Afghanistan: außer Spesen und vielen toten Soldaten nichts gewesen. Was vorhersehbar war. Als Ende 2001 im Bundestag über den Afghanistaneinsatz abgestimmt wurde, saß ich vor dem Fernseher. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte für die Entsendung deutscher Soldaten nach Afghanistan – wohl wissend, wie es der Sowjetunion ergangen war. Die Grünen, die bis dato mit dem Zitat „Schwerter zu Pflugscharen“ in den Wahlkampf gezogen waren, hätten es verhindern können, taten es aber nicht. Mehr als 50 deutsche Soldaten haben in Afghanistan ihr Leben gelassen. Für was? Wenn die Befürworter des Afghanistaneinsatzes ihre eigenen Töchter und Söhne hätten schicken müssen, wäre das Ergebnis der Abstimmung anders ausgefallen. Den Afghanistaneinsatz hätte es nicht gegeben. Karl Hahn, Bad Salzungen,
„Abzug aus Afghanistan: Feigheit vor den Freunden. Die Ortskräfte mussten zusehen, wie der letzte deutsche Soldat Afghanistan verlässt. Sie selbst bleiben ihrem Schicksal und den Taliban überlassen“, taz vom 5. 7. 21
taz.de schreibt …
Afghanistan war nur ein Truppenübungsplatz, und jetzt gibt es genug andere. UVW
@UVW Es gab doch schon Bilder, wo sogenannte Ortskräfte mit Knüppeln erschlagen wurden, während die Soldaten in Sicherheit gebracht wurden. Das ist ein Verbrechen sondergleichen, wenn diese Ortskräfte wissentlich der Ermordung preisgegeben werden. Rolf B.
Es geht auch anders
In Belgien wurde berichtet, dass 30 Ortskräfte plus ihre Familien mit ausgeflogen werden sollten. Wäre interessant, wenn Sie einmal das Verhalten der verschiedenen westlichen Armeen beim Abzug aus Afghanistan vergleichen würden.
Name ist der Redaktion bekannt
Wasser und Brot!
Es empört mich nicht nur, ich schäme mich auch für den Umgang mit den Ortskräften in Afghanistan, die über Jahre hin ihre Sicherheit riskiert haben, um deutsche Soldat*innen zu unterstützen – und jetzt so schmählich zurück- und im Stich gelassen werden. Durch Hinweisblätter mit nicht funktionierenden Mailadressen und die Auskunft, dass der Flug von Kabul nach Deutschland von den Ausreisenden selbst bezahlt werden müsse. Geht’s noch! Im Märchen würden die Urheber*innen solch dreister Zumutungen zur Strafe erstarren. Aber die vollmundigen Versprechen der deutschen Verteidigungsministerin im April, die sich als hohl und lügnerisch erweisen, bleiben folgenlos. AKK gehört auf Wasser und Brot gesetzt, bis auch die letzte afghanische Ortskraft in Deutschland eine Wohnung bezogen und ein Auskommen hat. Gabriele Michel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen