DIE STIMMEN DER ANDEREN
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■  Vecer (Slowenien)

Historischer Sieg über Acta

Die Entscheidung des Europaparlaments ist historisch. Zum einen, weil damit das europäische über das US-amerikanische Urheberrechtsverständnis siegt. Zum anderen, weil der Wille der Bürger den Wunsch der Unternehmen besiegt hat. Eine wichtige Rolle bei der Entscheidung haben die Proteste der Bürger gespielt, denn die Politiker hätten wohl nicht auf ihre Wähler gehört, wenn die nicht so laut gegen das Abkommen protestiert hätten. Zum Dritten, weil das Europaparlament im Kampf der EU-Institutionen seine Macht über die Kommission demonstriert hat. Als die Kommission damals das Abkommen unterzeichnet hat, hat sie bestimmt nicht damit gerechnet, dass sie von so „unbedeutenden“ Individuen wie den Europaabgeordneten gestoppt werden würde.

■  Frankfurter Allgemeine Zeitung (Deutschland)

Die Meute hat gewonnen

Die Meute ist über „Acta“ hergefallen und hat gewonnen. Dagegen war der Widerstand gegen „Zensursula“ und gegen das Gesetz, das Kinderpornografie entweder löschen oder sperren sollte, nur ein laues Lüftchen. Damals wie heute will die sakralisierend als „Netzgemeinde“ verherrlichte Schwarmarroganz der Internetfetischisten einen Präzedenzfall verhindern, der bedeutete, dass endlich auch hier staatlich gewährleistet wird, was nur der Staat gewährleisten kann: Recht. Es ist erbärmlich, wie die deutsche Bundesregierung, der Deutsche Bundestag und jetzt auch das Europäische Parlament vor der Desinformation und der Einschüchterung durch diese Netzgemeinde kuschen.

■  Gazeta Wyborcza (Polen)

Das europäische Volk zeigt sich

Hier hat sich das europäische Volk gezeigt. Denn auf seinen Druck hin haben die Politiker, die das Abkommen vorher vorbereitet und unterzeichnet hatten, schließlich doch gekippt. Das ist auch ein besonderes Verdienst der Polen, die im Winter spontan auf die Straße gegangen sind und dort bei minus 20 Grad herumgesprungen sind und gerufen haben: „Wer nicht hüpft, der ist für Acta! Hopp! Hopp! Hopp!“ Diese Proteste haben sich von Polen auf die gesamte EU übertragen: Überall ist man herumgehüpft und hat protestiert wie die Polen. Rund drei Millionen EU-Bürger haben die Petition über die Ablehnung von Acta unterschrieben. Und somit hat die Demokratie schließlich gesiegt.

■  Corriere della Sera (Italien)

Angriffsfläche für Produktpiraten

Ohne die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vereinbarkeit von Acta mit den Grundrechten abzuwarten, hat das EU-Parlament das internationale Abkommen abgelehnt, das die Regeln der einzelnen Länder aufeinander abgestimmt hätte. Das ist paradox. Die Acta-Normen sind in der Rechtsprechung Italiens wie auch anderer Länder, die zu den Unterzeichnern gehören, längst vorgesehen. Europa hat somit bereits [innerhalb der Gemeinschaft] einen Schutz gegen Internetpiraterie. Doch bietet es – und das ist das Paradoxe – den Ländern eine Angriffsfläche, die Weltmeister in der Produktfälschung sind: Brasilien, Russland, Indien und China. Wieder einmal haben sich Europas Politiker offen gezeigt für die Argumente eines nicht genauer definierten „Internetvolks“. Doch verstecken sich hinter diesen Stimmen sehr klare Interessen, nämlich die jener, die mit dem geistigen Eigentum anderer Gewinne erzielen wollen, ohne selbst zu investieren.

■  Financial Times Deutschland (Deutschland)

Auch Netzaktivisten sind Lobbyisten

Bundesregierung, Kommission und auch die Parlamentarier sollten künftig nicht pauschal jede Kritik ablehnen, sondern ihr von Anfang an argumentativ begegnen. Und sie sollten Kritik aus dem Internet nicht fürchten. Letztendlich handelt es sich bei Netzaktivisten genauso um Lobbyisten wie bei Umweltgruppen, Energiekonzernen oder Pharmavertretern. Denn wie diese arbeiten sie mit Übertreibungen, Unterstellungen, Falschaussagen – die mit Sachargumenten entlarvt werden können. Umgekehrt heißt das für Netzaktivisten: Sie mögen sich diesmal durchgesetzt haben. Wenn sie aber künftig in politische Gestaltungsprozesse einbezogen werden wollen, dürfen sie nicht mehr mit Halbwahrheiten arbeiten. Sonst verlieren sie schnell wieder ihre Glaubwürdigkeit und ihren neuen Einfluss.

Quelle: europtopics, taz