Die Shuttle-Pilotin kalkuliert das Risiko

Es erinnert an eine bestimmte Kategorie von Hollywoodfilmen: Die Mission ist äußerst heikel und kompliziert, von ihr hängt die Zukunft ab. Es gibt nur einen, der sie erfüllen kann. Den Besten.

Eileen Collins ist nicht nur die beste Space-Shuttle-Pilotin, sondern auch der beste Shuttle-Pilot. Deshalb hat ihr die US-Raumfahrtagentur Nasa das Kommando über Mission STS-114 anvertraut – den heikelsten Shuttleflug in der US-Raumfahrtgeschichte. Zwei US-Raumfähren sind bisher abgestürzt. Und auch bei der Nasa gilt das US-amerikanische Gesetz: Three strikes and you’re out. Doch es wird nichts ernsthaft schief gehen bei Mission STS-114, wenn die „Discovery“ morgen mit Collins am Steuer zur Internationalen Raumstation ISS abhebt.

Von der Aushilfskellnerin zur Topastronautin. Collins ist die perfekte Verkörperung des amerikanischen Traums. Die heute 48-Jährige wuchs in kleinen Verhältnissen im kleinen Ort Elmira im US-Staat New York auf. Schon als Schulkind war sie begabt für Mathematik und Naturwissenschaften und begeistert vom Fliegen. Weil ihre Eltern ihr keine Flugstunden bezahlen konnten, erjobbte sie sich das Unterrichtsgeld, u. a. in einem Pizzarestaurant.

1978 ließ sie sich bei der US-Luftwaffe zur Kampfjetpilotin ausbilden. Es war zugleich das Jahr, in dem die Nasa entschied, Frauen als Astronautinnen aufzunehmen. Für Collins stand fest: Sie würde eine davon werden. Neben ihrem Job als Militärpilotin machte sie Uni-Abschlüsse in Mathematik, Wirtschaft und Raumfahrtmanagement. 1990 bewarb sie sich als Astronautin bei der Nasa – und wurde genommen.

Seither war sie dreimal mit einem Shuttle im All. Bei ihrem dritten Flug im Juli 1999 war sie die erste Kommandantin, die eine Raumfähre steuerte. Ein Großereignis auch in den USA: Der damalige Präsident Bill Clinton ließ es sich nicht nehmen, ihre Nominierung als Shuttlekommandantin auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus zu verkünden. Inzwischen war sie längst Mutter. Während sie als Shuttlekommandantin das Röntgenteleskop Chandra ins All brachte, machte ihr Mann Pat Youngs – ebenfalls Militärpilot – Urlaub, um auf die damals dreijährige Tochter aufzupassen.

Shuttlekommandantin, Wissenschaftlerin, Mutter – Collins ist für viele AmerikanerInnen eine Heldin. Eine Hollywoodlegende ist sie nicht – und will es auch nicht sein. Den Rummel um ihre Person kommentiert sie fast gelassen in geschliffenem PR-Amerikanisch mit Sätzen wie: „Wir sind eine Nation von Erforschern. Wir wollen immer etwas Neues lernen und etwas riskieren. Aber wir studieren und kalkulieren das Risiko.“

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