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„Die Werbung verharmlost Wetten“

Spielgeld (4) Spieler haben bei Sportwetten eine Kontrollillusion. Sie glauben, dass sie aufgrund ihrer Sportkenntnisse nicht auf das Glück angewiesen sind, sagt der Psychologe Gerhard Meyer. Prävention fehle

Interview Emmy Thume

taz: Herr Meyer, warum sind Sportwetten gefährlich?

Gerhard Meyer: Weil es ein Glücksspiel ist. Es spricht Menschen an, die glauben, mit ihren sportlichen Kenntnissen Geld gewinnen zu können. Das ist allerdings eine Kontrollillusion, die dazu führen kann, dass die Glücksgefühle im Falle des Gewinnens die Entwicklung von Suchtphänomenen fördern. Die Betroffenen wollen sich über die Sportwetten immer wieder in diesen positiven Gefühlszustand versetzen. Hinzu kommt, dass sie versuchen, durch erneute Einsätze Verluste wettzumachen.

Sie rutschen in einen Teufelskreis.

Gerade bei Spielformen, bei denen immer wieder neue Ereignisse bewettet werden können, führt die hohe Frequenz dazu, dass Verluste kaum erlebt werden, weil sofort die nächste Wette platziert werden kann, um in den Gewinnmodus zu kommen.

Wie kann es dann sein, dass die TV-Werbung dazu immer noch so prominent läuft?

Gerhard Meyer 68, ist Fach­psychologe für Rechts­psychologie an der Universität Bremen. Er betreibt seit Jahrzehnten Glücksspielforschung und ist in der Bremer Fachstelle für Glücksspielsucht tätig.

Das ist stark zu kritisieren. Denn über die Werbung, in der das Zocken auf Sportereignisse durch den Auftritt prominenter Sportler als harmlos und alltäglich verkauft wird, wird die Botschaft vermittelt, dass es sich um ein Freizeitvergnügen handelt. Das fördert die soziale Akzeptanz und rückt es in die Mitte der Gesellschaft. Dabei ist es bei Weitem nicht harmlos: 430.000 Bundesbürger gelten als problematische Spieler, deren Verluste einen Großteil der Bruttospielerträge ausmachen. Der Anteil der süchtigen Sportwetter, die Hilfe in den ambulanten Beratungsstellen gesucht haben, ist in den letzten Jahren zudem deutlich angestiegen.

Was unterscheidet Sportwetten von anderem Glücksspiel?

Im Gegensatz zu reinen Zufallsspielen spielt hier ein gewisser Kompetenzanteil eine Rolle. Persönliche Kenntnisse können Einfluss auf das Wett­ergebnis nehmen. Nur ist das Ganze letztlich so angelegt, dass die Betreiber den Gewinn erzielen, nicht die Sportwetter. Das heißt: Wenn Bayern München zu Hause gegen Werder Bremen spielt, und es leider in der letzten Saison wahrscheinlich war, dass München gewinnt, war die Quote für einen Sieg der Bayern äußerst gering. Da sorgen die Buchmacher mit ihrer Quotenfestlegung schon vor, dass sie nicht draufzahlen.

Nun ist ein neues Glücksspielgesetz in Kraft. Wird TV-Werbung vielleicht doch bald verboten?

Verluste werden kaum erlebt, weil sofort die nächste Wette platziert werden kann

Das Gesetz sieht vor, dass aktive Sportler und Funktionäre nicht mehr für Werbung zur Verfügung stehen dürfen. Fußballspieler im Ruhestand, wie zum Beispiel Lothar Matthäus, können hingegen weiterhin für Sportwetten werben. Neu ist auch, dass die Wettangebote, die bislang illegal waren, in Zukunft legal verfügbar sind. Anbieter konnten sich dafür um Lizenzen bewerben. Damit hat nun unter anderem die Bild ein Sport-Wettangebot gestartet. Durch die vielen Anbieter wird ein Konkurrenzdruck entstehen und noch mehr Geld für Werbung ausgegeben werden. Der Anteil der Problemspieler wird durch die erhöhte Verfügbarkeit und die verharmlosende Werbung weiter steigen.

Was könnte dem entgegenwirken?

Prävention, denn daran mangelt es in diesem Bereich. Gerade junge, meist männliche, sportaffine Menschen und Mitglieder von Vereinen, sind affin für Sportwetten. Wir wissen aus eigenen Untersuchungen, dass in Sportvereinen der Anteil problematischer Zocker deutlich höher ist als in der Allgemeinbevölkerung. Weil dort das Interesse so ausgeprägt ist, appellieren wir an die Verbände, das Thema Glücksspielsucht in Bezug auf Sportwetten ernstzunehmen.

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