Merkels Bumerang

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Angela Merkel bleibt dabei. Als Kanzlerin werde sie dafür sorgen, dass Deutschland künftig „Politik aus einem Guss“ bekomme, versprach die Kandidatin der Union gestern bei der Vorstellung ihres Programms erneut vollmundig. Dabei hat sich diese für CDU-Ohren verheißungsvolle Ankündigung aus Merkels letzter Bundestagsrede vor zehn Tagen inzwischen längst als Bumerang erwiesen.

Schon bei der Ausarbeitung des Unionsprogramms waren die inneren Konflikte zwischen CDU und CSU, zwischen Bundespartei und Länderfürsten deutlich erkennbar geworden. Die ersten, wütenden Reaktionen ihres potenziellen Koalitionspartners FDP auf die geplante Mehrwertsteuererhöhung zeigten erst recht, wie offenkundig illusorisch Merkels großspurige Behauptung war, sie könne und werde mit dieser Mannschaft „durchregieren“.

Der halb öffentlich ausgetragene Streit zwischen Merkel und ihren Ministerpräsidenten, wer die Einnahmen aus der angestrebten Mehrwertsteuerverteuerung bekommen soll (nur der Bund oder, wie nun beschlossen, teilweise auch die Länder), lieferte einen ersten Vorgeschmack auf künftige Gefechte, die „Politik aus einem Guss“ verhindern werden. In der medialen Öffentlichkeit ist Merkels Schonzeit jetzt schon vorbei. Nachdem die Öffentlichkeit insgesamt erstaunlich geduldig auf Merkels Programm gewartet hatte, brach sofort nach Bekanntwerden der Inhalte ein Sturm der Entrüstung (links) und Enttäuschung (rechts) auf Merkel herein. Den wirtschaftsliberalen Politikern, Medien und Verbänden ist ihr Programm nicht radikal genug. Gleichzeitig stürzt sich Rot-Grün auf die verbliebenen neoliberalen Einzelheiten, wie die Teilabschaffung des Kündigungsschutzes, um vor der schwarzen Republik zu warnen.

Schlimmer für Merkel: Ihre innerparteilichen Rivalen schießen wieder aus dem Hinterhalt. Merkels missglückter, weil durch peinliche Versprecher getrübter Auftritt im Bundestag bei der Abstimmung über Schröders Vertrauensfrage bot den willkommenen Anlass für erste Sticheleien. „Der Ball lag auf dem Elfmeterpunkt“, lästerte einer der CDU-Ministerpräsidenten halb anonym im Spiegel, „und sie hat dennoch vorbeigeschossen.“

Das wenigstens sollte gestern nicht noch einmal passieren, als Merkel gemeinsam mit CSU-Chef Edmund Stoiber vor die Berliner Presse trat. Die Kanzlerin in spe präsentierte sich hoch konzentriert, detailsicher und demonstrativ bemüht, keiner Frage auszuweichen, ohne neue, unerfüllbare Versprechungen zu machen. „Dinge, die ich nicht voraussagen kann, werde ich auch nicht voraussagen“, sagte Merkel, als jemand wissen wollte, ob sie – wie Gerhard Schröder einst – den Abbau der Arbeitslosigkeit beziffern und terminieren könne.

Dennoch gab sie ein paar konkrete Ziele aus. So will Merkel bis 2009 einen Haushalt präsentieren, der den Maastricht-Kriterien entspricht. Stoiber ergänzte, bis 2013 werde die Union so weit sein, ganz ohne neue Schulden auszukommen. Damit dies glaubhaft klingt, betonten beide, sie würden nichts ankündigen, was sie nicht gegenfinanzieren könnten. Die Steuern sollen gesenkt werden, aber ohne Einnahmeverluste für den Staat, weil Steuervergünstigungen und Subventionen abgeschafft würden. Doch nicht nur dafür braucht Merkel: den bisher gusseisern geizigen Bundesrat.