Bowling für Sauerland

Morgen starten in Duisburg die World Games. Zehn Tage lang wird im Westrevier gebowlt, getanzt, geangelt. Doch den größten Kraftakt haben die Macher um OB Adolf Sauerland bereits hinter sich

„Ein Etat ist ein abstraktes Gebilde, das in der Praxis zu atmen beginnt“ „Was wir hier vorbereiten, ist kein Pfadfindertreffen“

AUS DUISBURG ROLAND LEROI

Peter Langner macht einen ausgeschlafenen Eindruck: „Mit so viel Sport hatte ich noch nie zu schaffen“, sagt der 51-jährige Kämmerer der Stadt Duisburg: Als Finanzexperte eilt ihm der Ruf voraus, bei Haushaltsdebatten extrem ermüdend zu sein. Doch Langeweile darf er sich in den nächsten zwei Wochen nicht erlauben. Seit drei Monaten ist Langner als Geschäftsführer verantwortlich für die World Games 2005. Ein sportives Großereignis, bei dem zwischen dem 14. und 24. Juli in Duisburg und drei Nachbarstädten in 40 nicht-olympischen Sportarten vor erwarteten 500.000 Gästen um Medaillen gekämpft wird.

Viel Arbeit war notwendig, um die Spiele, bei denen unter anderem Sportklettern, Tauziehen, Korfball, Beachhandball und Bowling zum Programm gehören, zu stemmen. An der vierjährigen Vorbereitung, die nicht immer so intensiv wie in den letzten Monaten vonstatten ging, sind sogar Existenzen zerbrochen.

Als Duisburg im Frühjahr 2001 gemeinsam mit Bottrop, Mülheim/Ruhr und Oberhausen von der International World Games Assoziation (IWGA) die Ausrichtung der Weltspiele übertragen bekam, wurde das in der Region eher nebenbei zur Kenntnis genommen. Die im vergangenen Herbst abgewählte Oberbürgermeisterin Bärbel Zieling (SPD) lächelte eher gequält, wenn sie auf die World Games angesprochen wurde und delegierte die Verantwortung an ihren Sportdezernenten Reinhold Spaniel. Spaniel konnte gut reden, kokettierte damit, dass er alles im Griff habe und träumte davon, nach den World Games fit genug für die Organisation von Olympia 2012 in Düsseldorf zu sein. Doch noch bevor Düsseldorfs Olympiabewerbung misslang, ereilte Spaniel die Absetzung: Zwischenrechnungen ergaben, dass sich der ursprünglich angesetzte Etat von neun Millionen Euro verdreifacht hatte. Neben dem damaligen NRW-Sportminister Michael Vesper beklagte auch Manfred von Richthofen, der Präsident des Deutschen Sport-Bundes (DSB), ein desaströses Erscheinungsbild der World Games – und manche meinten, dass es besser sei, die Weltspiele direkt nach Düsseldorf weiter zu reichen.

Um größeren Schaden abzuwenden, wurde Gerd Bildau als neuer Cheforganisator der Spiele ernannt. Dem früheren Stadtdezernenten gelang es, dem Großereignis ein positives Profil zu verschaffen. An der Öffentlichkeitsarbeit wurde mit Nachdruck gearbeitet, Sponsoren gewonnen. Die Kosten reduzierte Bildau, indem er städtisches Personal abzog und mit World Games-Aufgaben betraute. Kritiker wurden besänftigt, selbst Richthofen sicherte nun die Unterstützung des DSB zu und erinnerte an die Pflicht, dass „Duisburg eine Visitenkarte für das Organisationsvermögen von Großveranstaltungen in Deutschland“ abgeben solle. IWGA-Präsident Ron Froehlich attestierte den Machern, einen „good Job“ erledigt zu haben. Die Erntezeit darf Bildau indes nicht mehr erleben: Am 20. März 2005 erlag der stressgeplagte Geschäftsführer einem Herzinfarkt und Kämmerer Langner sprang ein.

Nach dem Ableben seines Vorgängers habe er sich zunächst vom ordnungsgemäßen Zustand der Vorbereitungen überzeugt: „Die Gespräche mit unseren unermüdlichen Mitarbeitern haben mich aber ermutigt, die Sache durchzuziehen“, sagte Langner, der sich nicht als Bürokraten sieht, sondern die Berufsbezeichnung Verwaltungs-Manager vorzieht.

Darauf kann sich der Kämmerer auch beschränken, denn die Position des Frontmanns hat mit Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) ein Mann übernommen, der das Medienhandwerk versteht: „Es werden dolle Spiele“, dröhnt Sauerland bei jeder Gelegenheit und darf schon Errungenschaften vorweisen: Neulich eröffnete er die neue Speedskater-Anlage im Sportpark Wedau und will mit derlei Projekten den „nachhaltigen Nutzwert“ der Weltspiele unterstreichen. Denn die 75.000 Euro teure Skaterbahn steht auch nach den World Games den Freizeitsportlern zu Verfügung. Im Vorfeld des Events wurde auch ein neues Schwimmstadion errichtet, renovierungsbedürftige Sporthallen strahlen im frischen Glanz. Selbst die Nachbarstadt Mülheim erhält mit der Rhein-Ruhr-Sporthalle ein neues Spielfeld. „Die Weltspiele sind ein Image-Projekt für Duisburg“, freut sich Sauerland.

Damit sich daraus kein Verlustgeschäft entwickelt, muss nun Langner klotzen. Ganz gelassen erklärte er vor Wochenfrist, dass der zu Grunde gelegte 15-Millionen-Euro-Etat nicht eingehalten werden kann, weil Zusatzkosten, unter anderem für Tribünen, eine weitere Million verschlingen. „Ein Etat ist in der Planung ein abstraktes Gebilde, das in der Praxis aber zu atmen beginnt “, entschuldigt der Finanzexperte die Mehrkosten. Sein Anliegen ist es nun, Sparmaßnahmen auszuhecken und Sponsoren zu begeistern. „Da haben wir noch etwas Nachholbedarf, müssen aber nicht nervös werden“, versichert er. Schließlich werde die nationale Öffentlichkeit erst unmittelbar vor dem Beginn der Spiele auf so ein Großereignis aufmerksam.

In Duisburg und Umgebung kommt die Öffentlichkeit seit Monaten kaum an den Weltspielen vorbei: Kaum ein Tag vergeht, an dem Medienleiter Hermann Kewitz nicht erbarmungslos zu Pressekonferenzen einlädt oder die lokalen Zeitungsredaktionen mit Texten versorgt. Inzwischen stöhnen sie in den Pressehäusern schon über die vielen Termine und sehnen die Abschlussfeier am 24. Juli herbei. „Hoffentlich sind die Spiele bald vorbei“, jammern die Redakteure, weil es immer etwas zu berichten geben soll: Etwa, dass die olympische Trampolin-Goldmedaillengewinnerin Anna Dogonadze bei den World Games dabei ist, dass für die Athleten 43.000 Mahlzeiten gekocht und 17.300 Lunchpakete gepackt werden, oder dass städtische Kehrmaschinen und Straßenbahnen in den auffälligen World Games-Farben unterwegs sind. „Die Maschinerie läuft“, strahlt Langner.

Die Gäste, die aus aller Welt am Niederrhein empfangen werden, sollen die Wirtschaft ankurbeln. Hotels können über das Internet gebucht werden. Auch Touristik-Touren, die neben den Sportprogramm die kulturellen Errungenschaften an Rhein und Ruhr präsentieren, sind im Angebot. Zwar gingen bisher erst rund 30.000 Tickets, vornehmlich für Sumo, Billard, Karate und Tanzen über den Ladentisch, doch auch das sorgt nicht für Fassungslosigkeit. „Mit dem Ticketverkauf sind wir zufrieden. Die 40 Sportarten haben in aller Welt ein breites Publikum, viele Ticketwünsche werden über die Sportverbände gebündelt und treffen kurzfristig in Duisburg ein“, sagt Kewitz. Zudem gehen 30.000 Tickets an Sponsoren, alles weitere soll der Tagesverkauf regeln. „Wir liegen im Plan“, meint Langner. 150.000 Karten müssen verkauft werden, um die Kalkulation zu erfüllen.

Ob der Optimismus begründet ist, wird sich zeigen. Insbesondere in China, dem Austragungsland der Olympischen Sommerspiele 2008, stoßen die World Games auf ein größeres Interesse. „Mehrere asiatische Fernsehanstalten sind an Live-Bildern interessiert“, erzählt Kewitz. In Deutschland werden ARD und ZDF nur auszugsweise von den Weltspielen berichten.

Die rund 3.500 Athletinnen und Athleten, die in 187 Disziplinen um Medaillen und Anerkennung kämpfen, wird das dennoch freuen. Viele hoffen, dass ihre Sportart mal ins Programm der Olympischen Sommerspiele aufgenommen wird. Die meisten Sportler buhlen zwar vergeblich um Interesse – doch mit Rugby, Karate, Squash und Inline-Skating haben es zumindest vier World Games-Sportarten auf die Reserveliste des Olympischen Programms geschafft. „Die World Games sind die Kornkammer der Olympischen Spiele“, sagt etwa Klaus Steinbach, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) .

Neben den sportlichen Höhepunkten ist auch ein umfangreiches Kulturprogramm vorgesehen (siehe unten). Um alles zu stemmen, machen die 125 Angestellten der World Games GmbH reichlich Überstunden. „Was wir hier vorbereiten, ist kein Pfadfindertreffen, sondern das größte Multisportevent des Jahres“, sagt Langner. „Die elf Tage werden wie im Flug vergehen“, verspricht auch World-Games-Präsident Froehlich. Spätestens im August werden sie rund um Duisburg ordentlich Schlaf nachholen müssen.