Mieten bald nicht mehr sozial

Mietervereine befürchten das Ende des sozialen Wohnungsbaus in NRW. Christdemokraten warnen vor allzu großer Panikmache und nennen Vorteile der neuen Regelungen. Opposition übt Kritik

VON HOLGER PAULER

Der soziale Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen hat keine Zukunft. Das befürchten zumindest die Mietervereine im Land. „Die neue schwarz-gelbe Landesregierung will die Mittel auf Null fahren“, sagt Aichard Hoffmann vom Mieterforum Ruhr. „Die Verlagerung zugunsten von Eigentumswohnungen hält an. Das Mieterland NRW ist damit Geschichte.“ Gemeinsam mit Hamburg sei Nordrhein-Westfalen das letzte Land gewesen, welches den Kommunen Mittel für den sozialen Wohnungsbau bereit gestellt habe, so Hoffmann.

„Von einer Abschaffung des sozialen Wohnungsbaus kann keine Rede sein“, entgegnet der wohnungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Bernd Schulte. Für Gruppen, die einen erschwerten Zugang zum Wohnungsmarkt haben, seien im Haushalt weiterhin Fördermitteln vorgesehen, so Schulte. Die Zahl der betroffenen Haushalte liege momentan bei 110.000.

Dass es einen Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik gibt, ist aber unverkennbar: CDU und FDP haben in ihrer Koalitionsvereinbarung beschlossen, die bisherige „Objektförderung im Mietwohnungsbau durch eine einkommensabhängige Subjektförderung“ zu ersetzen. Das heißt: Bislang wurde gefördert, wer günstige Mietwohnungen baut, in Zukunft werden diejenigen finanziell unterstützt, die ihre Mieten nicht mehr zahlen können. „Wir müssen dem demographischen Wandel Rechnung tragen“, begründet Schulte die Initiative zur individuellen Förderung. Vor allem Familien mit Kindern würden von der Regelung profitieren. „Sie können in ihren Städten wohnen bleiben“, so Schulte. Das sei zuvor sehr schwierig gewesen.

„Die neuen Koalitionspartner drücken sich nicht klar aus“, sagt Dieter Hilser, wohnungspolitischer Sprecher der SPD im Landtag. Eine kurzfristige Streichung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau könne er sich nicht vorstellen, „langfristig geht es aber in die Richtung“. Der Wohnungsmarkt werde „vollständig den Marktgesetzen unterworfen“, so Hilser. Die Sozialdemokraten wollen das Thema nach der Sommerpause auf die Tagesordnung bringen. „Die Entwicklung ist ja nicht neu“, sagt Aichard Hoffmann vom Mieterforum Ruhr. Schon die rot-grüne Landesregierung habe die Mittel für den sozialen Wohnungsbau zurückgefahren. „Schwarz-Gelb führt diese Entwicklung noch konsequenter weiter“, so Hoffmann.

Im Koalitionsvertrag haben CDU und FDP zudem festgelegt, die so genannte NRW-Kündigungssperrfristverordnung aufzuheben und statt dessen die bundesweite Regelung auch in NRW einzuführen. Statt sechs bis acht Jahre wären die Mieter dann nur noch drei Jahre vor Kündigungen geschützt. Vor dem Hintergrund der massiven Privatisierung öffentlichen Wohnraums in den vergangenen Jahren befürchten die Mietervereine nun eine weitere Verunsicherung ihrer Klientel.