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wortwechselKlimawandel! Wie viel Kampf darf’s denn sein?

Klimawandel stoppen, ja bitte – aber wie? Welche Wege, welche Mittel und Methoden sind „erlaubt“? Von wem? Machtkampf ohne Ende? Reden wir uns die Gegenmaßnahmen schön?

Berlin, Skalitzer Straße: die Hochbahn, eine unspektakuläre Heldin im täglichen Verkehrschaos Foto: Frank Sorge/imago

Care Economy?

„Kürzer arbeiten fürs Klima“,

taz vom 25. 6. 21

Herr Kopatz hat all die Argumente vorgetragen, warum ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) dringend als gesellschaftlicher Anreiz benötigt wird. Leider hat er vergessen, diese wichtige politische Maßnahme zu erwähnen. Ein BGE erlaubt es uns, die fremdbestimmte Lohnarbeit auf das gesellschaftlich Notwendige zu reduzieren und die selbstbestimmten und Sinn stiftenden Tätigkeiten so weit wie möglich zu erweitern. Dadurch kann eine neue Form von Wirtschaften entstehen, eine „Wirtschaft der Achtsamkeit und Fürsorge“ (Care Economy), die es uns ermöglicht, für unser Wohlbefinden, unsere Zukunft und unsere Umwelt und Mitlebewesen zu sorgen.

Reinhard Huss, Leeds (England)

Verkehrswege(-lagerei)

„Der Kollaps des Verkehrs ist allgegenwärtig“, taz vom 28. 6. 21

Man redet „über Milliarden“, um neue Strecken eröffnen und ländliche Räume besser anbinden zu können. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass jahrzehntelang Unsummen in den autogerechten Umbau von Stadt und Land geflossen sind, verbunden mit Streckenstilllegungen bei der Bahn, der Ausdünnung von Busverbindungen und – vor allem im Westen – dem Abbau von intakten innerstädtischen Straßenbahntrassen. Alles aus der unerschütterlichen Liebe zum Auto, welches als das unwirtschaftlichste Fortbewegungsmittel der Geschichte gilt: Es steht 23 Stunden irgendwo rum, und wenn es fährt, dann ist von fünf vorhandenen Sitzplätzen meist nur einer besetzt. Die Verkehrsplaner von gestern sollten mal den Mut haben, diesen Wahnsinn endlich als Fehler einzugestehen. Aber im Gegenteil, der Verkehrswegeplan zielt immer noch in dieselbe Richtung: Straße vor Schiene. Unfassbar vor dem Hintergrund des Klimawandels. Dieter Stompe, Erfurt

„Grüner Wasserstoff“

„Neues Klimagesetz verabschiedet: Großes Ziel, kleiner Mut“, taz vom 25. 6. 21

Oft wird die Umstellung der Stahlproduktion von Koks als Reduktionsmittel auf „grünen“ Wasserstoff gelobt. Doch dieses neue Verfahren hat mehrere „Haken“: Es ist ein gewaltiger Aufwand, angesichts einer weltweiten Stahl-Jahresproduktion von fast 2 Milliarden Tonnen und dem dabei entstehenden CO2-Ausstoß von rund 4,5 Milliarden Tonnen pro Jahr die benötigten Wasserstoffmengen überhaupt zu gewinnen. Ich bin überzeugt, dass es noch Jahrzehnte dauern würde, bis der heute verwendete Koks tatsächlich durch Wasserstoff ersetzt werden könnte – viel zu viel Zeit, die wir angesichts der zunehmenden Erdüberhitzung gar nicht mehr haben. Da gibt es nur eine Lösung: weniger Stahl produzieren durch den Verzicht auf Stahlbeton-Bauwerke, auf schwere und zu viele Autos, auf Pipelines. Denn ohne drastische Reduktion des Material- und Energieverbrauchs in allen Sektoren werden wir ungebremst in die Klimakatastrophe schlittern.

Um den „grünen“ Wasserstoff herzustellen, sind in Nordschweden gigantische Wasserkraftwerke geplant, die auch die letzten frei fließenden Gebirgsflüsse irreparabel schädigen werden und deren Staumauern und Druckwasserstollen wieder jede Menge Treibhausgas durch die hierfür notwendige Zement- und Stahlproduktion freisetzen werden – ganz zu schweigen vom Material für die Gebäude und Anlagen der Großfabriken zur Wasserstoffgewinnung. Ich fürchte, dass in der erforderlichen Zeit (bis 2050) gar nicht genügend nichtfossile Kraftwerke gebaut werden können. Falsch ist die Umstellung von Koks auf „grünen“ Wasserstoff keinesfalls, aber sie kann allenfalls ein kleiner Baustein für die Energiewende sein.

Karlheinz Rößler, München

„Bürgerrat Klima“

„Wir sind nicht so empfindlich, wie die Politik denkt“, taz vom 25. 6. 21

Ein Bürgerrat für mehr Demokratie, ein erstes Experiment mit 160 ausgelosten Teilnehmern aus dem Bundesgebiet – ein organisatorisches Projekt mit einem zusätzlichen Personalaufwand und einem finanziellen Volumen von insgesamt 1,8 Millionen Euro.

Muss mehr direkte Demokratie so einen hohen Preis haben? Die großzügigen Spender haben offenbar auch darin ein Eigeninteresse als Imagekampagne gesehen. Thomas Bartsch-Hauschild, Hamburg

Protestkultur verurteilt

„Urteil gegen Aktivistin: Fußtritt in 15 Metern Höhe. Eine Aktivistin aus dem Dannenröder Wald muss für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis“,

taz vom 25. 6. 21

Wer den Prozess gegen UP1/Ella verfolgt hat, wird feststellen müssen, dass Legislative, Exekutive und Judikative hier Hand in Hand arbeiten. Die Gesetzgebung schafft in einem ersten Schritt in den Polizeigesetzen Freiräume für Willkür durch Ordnungskräfte, in denen jede Maßnahme zur „Gefahrenabwehr“ erlaubt ist. Dieses Register zog die Polizei rund um den Dannenröder Forst immer, wenn sie Identitäten feststellen wollte, manchmal grundlos auf offener Straße. Es folgten Durchsuchungen bis hin zum völligen Entblößen. In einem zweiten Schritt wachen Staatsanwaltschaft und Justiz darüber, dass Beschwerden zu Übergriffen der Ordnungskräfte nicht zur Verhandlung kommen, wenn überhaupt Ermittlungen eingeleitet werden. So gab es einige, teils schwer Verletzte während der Räumung des Dannenröder Waldes, weil Po­li­zis­t:in­nen mutwillig Seile kappten und Ak­ti­vis­t:in­nen aus mehreren Metern abstürzten. Bisher sind keine Konsequenzen daraus erfolgt. In einem letzten Schritt werden die Angeklagten abgeurteilt. Im Prozess gegen UP1/Ella wurden vor Gericht nur Zeugen der Anklage zugelassen, also die betroffenen Polizist:innen. Diese waren – angeblich zu ihrer Sicherheit – vermummt und namentlich unbekannt. Beweismittel und Zeugen der Verteidigung wurden als überflüssig angesehen und abgewiesen. Das Strafmaß – ohne menschliche Regung und Empathie. Eine solche Vorgehensweise kennen wir sonst nur von totalitären Regimen.

Ernst-Ludwig Moderer, Alsfeld

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