Klagt Bremen? Ratlosigkeit herrscht

Der Senat hat sich gestern mit der aussichtslosen Rechts- und Finanzlage nach dem Scheitern der Sanierungsphase befasst. Klar ist: Der eigene Sparbeitrag reicht nicht aus. Wo Bremen welche Hilfe fordern soll, bleibt offen

bremen taz ■ Auch sechs Monate nach der Absage an alle Hoffnungen auf den so genannten Kanzlerbrief hat der Bremer Senat noch keine Strategie, was nach dem Scheitern der elf Jahre andauernden Sanierungsphase passieren soll. Mehrere Gutachten sind bestellt, berichtete der Finanzsenator gestern dem Senat, doch seit der Sitzung des Finanzplanungsrates Ende Juni ist klar: Der Bund und die anderen Länder wollen nicht mehr über die Lage der Haushaltsnotlage-Länder reden. Der Bremer Vorschlag, wenigstens eine Arbeitsgruppe ohne konkreten Auftag einzurichten, wurde abgelehnt.

„Zuwarten verbessert die Lage nicht“, formulierte der Finanzsenator als Konsequenz. Jedes Jahr wächst der Schuldenberg derzeit um rund eine Milliarde, und so viel auch bei den laufenden Ausgaben gekürzt wird – die Zinszahlungen wachsen schneller. Eine weitere Sanierungshilfe von 5,3 Milliarden Euro wäre erforderlich, um die Zinslast um 300 Millionen Euro pro Jahr zu senken, hat das Finanzressort errechnet. Aber selbst das würde nicht reichen.

In der bundesweiten Debatte ist Konsens, dass das Ziel eines „verfassungskonformen“ Haushaltes, in dem Investitionen nach Belieben über Neuverschuldung finanziert werden dürfen, nicht ausreichend ist. Eine „haushaltswirtschaftliche Stabilisierung“ erfordert mehr, daran hat auch der Bremer Rechnungshof mehrfach erinnert. „Schon deswegen bedarf es an sich ehrgeizigerer Ziele als sie in Bremen zuletzt betont wurden“, formulierte Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos). Das für 2009 ausgegebene Ziel eines „ausgeglichenen Primärhaushaltes“ würde für Bremen kein Ende der Zins-Spirale bringen.

Bisher galt es zudem als „zumutbarer Eigenbeitrag“, dass bremische Ausgaben auf das durchschnittliche Niveau vergleichbarer Großstädte reduziert werden. In der bundesweiten Fachdiskussion und auch im Bundesfinanzministerium geht man davon aus, dass Haushaltsnotlage-Länder ihre Ausgaben deutlich unter den Durchschnitt senken müssen. „Der zumutbare Eigenbeitrag, die äußerste Grenze der Ausgabenbeschränkung muss neu festgelegt werden“, deutet der Finanzsenator das Problem an.

In dem Papier des Finanzsenators werden mögliche Forderungen Bremens aufgelistet und zugleich dargestellt, wie diese Punkte in den letzten Jahren abschlägig beschieden wurden. Eine Änderung der immer wieder ins Gespräch gebrachten Lohnsteuerzerlegung nach dem Wohnsitz-Prinzip würde wenig bis nichts bringen, betont der Finanzsenator. Dafür lohne sich auch nicht zu klagen: Das Bundesverfassungsgericht hat eine diesbezügliche Klage Hamburgs bereits 1986 abgelehnt.

Etwas mehr würde eine Erhöhung der „Einwohnerwertung“ bringen. Würde jeder Einwohner des Landes Bremen nicht wie bisher mit 135 Prozent im Länderfinanzausgleich berücksichtigt, sondern mit 145 Prozent, bekäme Bremen pro Jahr 130 Millionen Euro mehr. Aber auch das ist nicht einklagbar – das Bundesverfassungsgericht hat über diese Frage schon früher geurteilt, dass es Aufgabe der politischen Gestaltung sei, die genaue Zahl festzulegen. An diesem Punkt müsste Bremen zudem ohne seinen Haushaltsnotlage-Partner Saarland streiten.

So ist für den Senat bis heute sowohl das „Ob“ als auch das „Wann“ einer erneuten Verfassungsklage offen. Als neuester Hoffnungsschimmer gilt im Senat die Spekulation darüber, dass die CDU die Bundestagswahl gewinnt und die CDU mit dem Saarländer Peter Müller im Kabinett so großzügig agiert wie 1998 unter dem Finanzminister Oskar Lafontaine, der die Sanierungshilfen für sein Saarland und Bremen schlicht verlängerte. Das sollte, wie damals vereinbart wurde, allerdings eine „abschließende Hilfe“ ein. kawe