Ein Vetter zu viel

MOKS Das neue Ensemble hat mit „Zwei Schwestern“ ein beachtliches, aber ausbaufähiges Debut

Neues Ensemble, neues Glück: Mit der Uraufführung von „Zwei Schwestern“ präsentiert sich das Schauspielteam des Moks jetzt erstmals in seiner neuen, auffällig homogenen Zusammensetzung. Alle AkteurInnen haben einen alpinen Background, der tiefere Grund der Harmonie könnte aber auf dem – hoffentlich nur vorläufigen – Konsens beruhen, Kindertheater als primär heitere Veranstaltung aufzufassen. Da wird die Entwicklung einer gewissen Eigenwilligkeit, einer Kantigkeit in künftigen Charakteren und Figuren nicht schaden.

Anna-Lena Doll und Lisa Marie Fix, beide ausgebildet an der Zürcher Hochschule für Musik und Theater, spielen zwei glückliche Sorglos-Schwestern, in deren heile Inselwelt ein Modernisierungs-fixierter „Vetter“ einfällt – der junge Klagenfurter Christoph Ammann. Dessen charmanter „Sissy“-Akzent samt nachsichtigem „Ach, ihr jungen Wildfänge“-Lächeln trägt das Seinige zu einer gewissen Retrospektivität des Settings bei.

Nichtsdestoweniger ist „Zwei Schwestern“, von Regisseur Heiner Fahrenholz auf Vorlage des Bilderbuchs von Sonja Bougaeva entwickelt, eine sehr sehenswerte Parabel auf rücksichtslose Sanierungswut. Oder, eine Bedeutungsstufe höher gesetzt, auf fehlende Toleranz gegenüber abweichenden Lebensentwürfen.

Das matriachal-mediterrane Savoir Vivre der Schwestern bringt Vetter Hans auf die – ohnehin alsbald abzuholzende – Palme. Einem Dach, durch das die Sonne scheint, einer Lampe, die nur leuchtet, wenn sie Lust hat, kann er nichts abgewinnen. Und dass der Wasserhahn tropft, weil er eben erkältet ist? Dies Argument kann Hans schon gar nicht von seinem blindwütigen Aktionismus abhalten. Ehe das Eiland jedoch runderneuert und mit gewinnträchtigen Hotelburgen zugepflastert wird, stoppen die Schwestern ihren Kapitalismus-affinen Cousin.

Ein Sieg des Matriarchats über den Pragmatismus der Moderne – aber noch kein kompletter Qualitätsnachweis des neuen Moks-Ensembles. Eine Schauspielstelle ist dort noch offen – hoffentlich nicht allzu lang.

Henning Bleyl