Eine eigene Wohnung für alle

OBDACH Rot-grün will Wohnungslose verstärkt dezentral unterbringen. Weil es dafür zu wenig bezahlbare Wohnungen gibt, fordern die Grünen Sanktionen

Kein Geld für staatliche Wohnraumförderung gab’s in Bremen 2011 sowie 2006 und 2007. 2010 waren’s 4,5 Millionen, 2009 auch.

2.203 Wohnungsberechtigungsscheine wurden 2010 in Bremen an Geringverdiener ausgegeben, davon 204 an „Wohnungsnotstandsfälle“. Die Zahlen nahmen seit 2005 kontinuierlich ab.

4.586 öffentlich geförderte Sozialwohnungen gab es 2010 in Bremen, 2005 waren es noch 8.579.

16 Personen bekamen 2010 aufgrund einer „Wohnungsnotstandsbescheinigung“ eine Bleibe, 2005 waren es noch 114. (taz)

Das „Papageienhaus“ der Inneren Mission hat keine Zukunft mehr – darin sind sich SPD und Grüne einig. Nicht nur, weil das 1976 gebaute, neunstöckige Jakobushaus der Obdachlosenhilfe mit zentraler Notaufnahme und Übergangswohnheim dringend für mehrere Millionen Euro saniert werden müsste. Sondern auch, weil die rein zentrale Unterbringung von Wohnungslosen Rot-Grün als überholt gilt.

Die Grünen wollen nun von stationären Einrichtungen für Wohnungslose ganz wegkommen und Bremen, nach dem Vorbild von Duisburg und Herford, zur „Stadt ohne Obdach“ machen. Laut einer Umfrage wünschten sich 73 Prozent der alleinstehenden Wohnungslosen eine eigene Bleibe, zehn Prozent wollten in einer stationären Einrichtung leben. „Jeder Mensch braucht eine eigene Wohnung“, sagt die grüne Sozialpolitikerin Susanne Wendland. Alles andere sei „entmündigend“. Klaus Möhle (SPD) geht das Konzept zu weit. „Wir brauchen weiterhin auch stationäre Betreuung für Wohnungslose“, sagt der Sozialpolitiker. Da gebe es noch „Dissens“.

Die Grünen wollen die Zahl derer senken, die in Notunterkünften leben, welche laut Wendland pro Person und Monat bis zu 1.500 Euro kosten. In Bremen fehlen Schätzungen zufolge aber allein bis 2020 rund 14.000 Wohnungen, vor allem bezahlbare für Ein- bis Zwei-Personen-Haushalte. Wendland will es nicht bei der Bitte an den Senat belassen, seinen Einfluss bei Wohnungsbaugesellschaften geltend zu machen, damit sich das ändert. Sie fordert im Zweifelsfall auch „Sanktionen“ ein. So könnten Unternehmen verpflichtet werden, pro neu gebauter Wohnung zwei aus dem Bestand nach sozialen Kriterien zu belegen. Die SPD will die Stadt verpflichten, Geld für jährlich 350 neue Wohnungen mit Mietpreis und Belegungsbindungen und „bezahlbare“ städtische Flächen für den Wohnungsbau bereitzustellen.

Die Grünen wollen den Wohnungsnotstandsvertrag von 1981 wieder beleben. Er sieht vor, dass 60 Prozent der freien Sozialmietwohnungen an „Notstandsfälle“ vermietet werden, davon 40 Prozent an Obdachlose, ex-Gefangene oder Drogenabhängige. Dabei handelt es sich um Sollvorschriften. Eingehalten werden sie nicht, stellte der Senat 2011 fest. Eine genaue Kontrolle war nicht so nötig, heißt es im Sozialressort, der Wohnungsmarkt sei erst seit ein, zwei Jahren angespannt. Aktuell kann die halbstaatliche Gewoba nicht sagen, wie viele „Notstandsfälle“ in ihren Wohnungen leben. Ein Viertel der neuen MieterInnen beziehe Transferleistungen. mnz